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als AusbildnerInnen anerkannt zu werden.62 1926 wurde mit der Einrichtung der
„Österreichischen Musiklehrerschaft“ eine Vertretungsorganisation der Musikleh-
rerInnen gesetzlich verankert. Damit wurden sowohl die Selbstverwaltungsrechte
der MusiklehrerInnen gestärkt als auch formale Qualifikationen für die in dieser
Organisation tätigen MusiklehrerInnen vorgeschrieben.63
Die Beschreibung der musikalischen Ausbildung nahm eine wichtige Rolle ein,
um sich zur zentralen Referenz der Kunst zu positionieren. Wichtig war dabei nicht
nur, ob eine Ausbildung absolviert wurde (fast keine/r der von mir untersuchten
Erzählenden war AutodidaktIn 64) und welcher Art sie war, sondern vor allem auch,
wie und in welchem Ausmaß sie thematisiert wurde.
Die folgenden Beschreibungen sollen anhand ausgewählter Modalitäten (siehe
Abbildung 15) zeigen, in welcher Art und Weise Erzählungen über musikalische
Ausbildungen für die Positionierung in Bezug auf Kunst maßgeblich waren.
Für KünstlerInnen war die musikalische Ausbildung sehr wichtig: Es wurden
mehr als neun Seiten über Ausbildung geschrieben 65 und mehr als vier verschie-
dene Ausbildungen absolviert. Der Prozess, in dem Musizieren erlernt wurde, hatte
große Bedeutung für sie, was Beschreibungen des Charakters der Lehrperson, der
Fähigkeiten der Lehrperson und des Erfolges der Ausbildung ebenso zeigen wie die
Erwähnung von freudigen Erfahrungen oder Mühsal in der Ausbildung, des Zwan-
ges zur Ausbildung oder des Strebens nach einer Ausbildung. Ein Beispiel für die
Wichtigkeit von Ausbildung war etwa die dramatisch und ausführlich beschriebene
Suche Lotte Lehmanns nach der „richtigen“ Ausbildung, die ihr das Künstlerdasein
ermöglichen würde.66 Hier zeigen sich Unterschiede zu klassischen Erzählungen von
KünstlerInnen in anderen Tätigkeitsfeldern, die sich über ursprüngliche Naivität bzw.
über spontane Genialität zu definieren suchten.67 Es galt hier nicht, was Nathalie
62 Vgl. dazu Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Bundesministerium für Unterricht, Prüfungs-
kommission Musik, 1935, Zl. 37.380, Prüfungsvorschrift für das Lehramt der Musik.
63 Bundesgesetz vom 28. Juli 1926, BGBl. Nr. 207, betreffend die Errichtung der Vereinigung
„Österreichische Musiklehrerschaft“.
64 „Die Teilnahme des Publikums an privatem Musikunterricht kann kaum lebhafter sein, als
sie sich gegenwärtig zeigt. Selbst die minderbemittelten Klassen haben den Wunsch und das
Bestreben, ihre Kinder oder zum mindesten eines davon musikalisch unterweisen zu lassen.“
(Bekker, Musikleben, 60).
65 In den allermeisten Erzählungen finden sich zwischen einer und neun Seiten, auf denen
musikalische Ausbildungen thematisiert werden. Nur vier Erzählungen beschreiben Ausbil-
dung auf mehr als neun Seiten, am meisten die Erzählung von Lotte Lehmann, in der dieses
Thema auf 28 Seiten beschrieben wird.
66 Lehmann, Anfang, 41 – 81.
67 Zembylas, Kunst, 107 f.
Sich schöpferisch entwickeln oder handwerkliche Fertigkeiten lernen 115
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Title
- Über die Produktion von Tönen
- Subtitle
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Author
- Georg Schinko
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Category
- Kunst und Kultur