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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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Die sedia gestatoria der Päpste 45 das Patriarchenkreuz. Die sedia wird verdeckt von einem herunterhängenden gemusterten Tuch, das nach Art einer Kirchenfahne in drei gerundete Zipfel ausläuft; über geschnitzte oder gedrechselte Säulen ist ein Baldachin fest mit dem Sitz verbunden. Getragen wird der Sitz von vier Trägern in bodenlangen Gewändern, die durch ihre Kopfbedeckung, das Birett, als Universitätsgelehrte (Theologen?) ausgewiesen sind. Ein fünfter Mann in dersel- ben Kleidung schreitet neben dem Sitz und scheint diesen mit einer Stange zu lenken. Wie eine Fortentwicklung dieses Holzschnitts mutet eine Verbildlichung der „proud primacie“ der Päpste an, die rund ein halbes Jahrhundert später den „Acts and Monuments“ des John Foxe ab der zweiten Auflage beigegeben wurde (Abb. 11).80 Der Papst sitzt hier auf einer sedia maior, mit der ebenfalls ein Baldachin auf geschnitzten oder gedrechselten Säulen fest verbunden ist; er trägt die Tiara, vollzieht mit der rechten Hand einen Segensgestus und hält in der linken Hand die Petrusschlüssel. Von der Plattform der sedia hängt ein dreizipfliger Zierbehang herab. Getragen wird der Sitz von vier barhäuptigen Trägern in bodenlangen Gewändern. Die Überschrift suggeriert, es handle sich um eine Abbildung zum Text des päpstlichen Zeremoniells: „The P[ope] caried on mens shoulders, the Emp[e- ror] & K[ings] going before him. Ex Li. Sacrar. Cer. lib. I.“ Damit folgt der Holzschnitt dem polemischen Kunstgriff Wenzeslaus Lincks, der 1539 das unter Leo X. gedruckte Zeremo- nienbuch der römischen Kurie übersetzt und durch Auswahl der Texte, Überschriften und Randkommentare zu einer „Selbstoffenbarung des Antichrist“ umgestaltet hatte;81 aller- dings hatte die sedia gestatoria für Linck keine Rolle gespielt, da er entsprechend seiner Vorlage bei den Antrittsfeierlichkeiten des Papsts nur das weiße Pferd erwähnt. Als Illus- tration für ein im Jahr 1630 erschienenes historisches Werk imaginierte Matthäus Merian mit der Verspottung eines päpstlichen Umzugs durch Landsknechte eine Schlüsselszene des Sacco di Roma,82 in deren Gestaltung er wie der Illustrator der „Acts and Monuments“ durch Cranachs Stich beeinflusst scheint (Abb. 12). Der mit Paramenten und der Tiara an- 80 Vgl. die elektronische Edition: The Unabridged Acts and Monuments Online or TAMO (The Digital Humanities Institute, Sheffield 2011); https://www.dhi.ac.uk/foxe/ (letzter Zugriff: 19.07.2019). Der Holzschnitt findet sich in der Auflage von 1570 (S. 957), 1576 (S. 791), 1583 (S. 815). 81 Wenzeslaus Linck, Bapsts gepreng, auß dem Ceremonien Buch, von dem über den OPAC der Bayerischen Staatsbibliothek München mittlerweile je zwei Exemplare der Auflagen Straßburg 1539 und Nürnberg 1565 digitalisiert einsehbar sind (letzter Zugriff: 30.09.2019). Vgl. Staubach 2004 (wie Anm. 42), S. 125–127. 82 Joh. Ludw. Gottfridi Historische Chronica, Oder Beschreibung der Fürnemsten Geschichten / so sich von Anfang der Welt / biß auff das Jahr Christi 1619 zugetragen (Frankfurt a. M. 1630), S. 720; benutzt in der Auflage von 1710, die von der Österreichischen Nationalbibliothek digitalisiert wurde (http://data.onb.ac.at/rep/106D7BF2 [letzter Zugriff: 30.09.2019]). Zum Verfasser Johann Ludwig Gottfried (um 1584–1633) vgl. den Artikel von Lucas Heinrich Wüthrich, in: Neue Deut- sche Biographie, Bd. 6 (Berlin 1964), S. 677 f. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Title
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Subtitle
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Author
Mario Döberl
Editor
Alejandro López Álvarez
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Size
17.5 x 24.7 cm
Pages
432
Categories
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