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Volksgemeinschaft geprägt. Jedoch findet sich innerhalb dieses Spannungsfeldes
zwischen dem Nationalen und dem Imperialen keine klare Chronologie, der zufol-
ge der imperialen Herrschaft unbedingt ein Nationalstaat folgen sollte, sondern es
geht vielmehr um den Entwurf eines Kulturnationalismus. Als konkrete Ziele sind
v.a. das Recht auf Selbstbestimmung und die autonome Freiheit des Kollektivs an-
zuführen. So sind die polemischen Kritiken des jungen August Šenoa oft als Ersatz-
handlungen der machtlosen Intelligenz zu lesen, mit denen er eine immer noch
vage Zukunftsvision schuf und somit auch im imperialen Raum eigene politische
und nationale Vorstellungen verfolgen konnte. Deshalb wird Šenoas Vorstellung
von Nation nach Rogers Brubaker als der Weg zu einem nationalisierenden Staat
aufgefasst, womit der prozessuale und offene Status seines Programmes als »einer
dynamischen politischen Haltung oder einer Gattung verwandter und gleichzeitig
konkurrierender Haltungen«120 zu erfassen ist. Šenoa geht in seinem protorealisti-
schen Gründungsprogramm von der »geistigen Emanzipierung unseres Volkes«121
aus und macht diese utilitaristische, patriotisch-pädagogische Aufgabe zu seinem
literarischen Programm. Es ist eine Transferleistung aus dem tschechischen und
österreichischen Kontext in den kroatischen, wobei die sozial-politischen Faktoren
die Hauptrolle spielen und mit ihrer Prägekraft die weitere Entwicklung der kroati-
schen realistischen Literatur bestimmen.
Somit bietet sich für die Beschreibung seines nationalen Programmes in der
Zeitschrift ein Kulturbegriff an, der mit der Theorie der Transdifferenz in einigen
Punkten übereinstimmt, v.a. wenn »die Vielfalt, Diskontinuität und Gebrochenheit
der verschiedenen kulturellen Diskurse«122 untersucht werden. Gerade das trans-
differente Moment basiert auf einem dynamischen Verständnis der Identität, wel-
ches sich für die Beschreibung der komplexen Ausgangsposition Šenoas und die
Erfassung seiner Strategien des nation building in den frühen Texten eignet. Die
Koexistenz der nationalen und imperialen Diskurse fördert die Phänomene der
gleichzeitigen Abgrenzung und Vermischung dieser Diskurse. Es wird dadurch
eine Paradoxalisierung des kulturellen Raumes hervorgerufen, die die (ungewoll-
ten) Überschneidungspunkte in unterschiedlich akzentuierten Diskursen betont
beziehungsweise die nationalen Interessen mit den hegemonialen Bedingungen
der realen Imperien zu verbinden versucht. So kann die als homogen postulierte
nationale Identität bei Šenoa als eine fortwährende Verschiebung und unentwegte
Suche nach dem Reflex (in) der anderen Kultur definiert werden. Die Grunddefini-
tion der Transdifferenz, der zufolge Transdifferenz »überall dort zu verorten« sei,
Slaven-thum.« L. [August Šenoa]: Alexander Cesarevič. Thronfolger von Russland. In: Slavi-
sche Blätter 12 (1865), S. 510.
120 | Brubaker, Rogers: Nationale Minderheiten, nationalisierende Staaten und nationale
Bezugsländer im neuen Europa. In: Jahn, Egbert (Hg.): Nationalismus im spät- und postkom-
munistischen Europa. Bd. 1: Der gescheiterte Nationalismus der multi- und teilnationalen
Staaten. Baden-Baden: Nomos 2008, S. 138-161, hier S. 146.
121 | Šenoa: O hrvatskom kazalištu, S. 14.
122 | Bachmann-Medick, Doris: Einleitung: Übersetzung als Repräsentation fremder Kul-
turen. In: dies. (Hg.): Übersetzung als Repräsentation fremder Kulturen. Berlin: E. Schmidt
1997, S. 1-18, hier S. 6.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur