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4 ENTWICKLUNGSTENDENZEN DER UNIVERSITÄT IN DER ÄRA
THUN168
lich darauf zu wirken habe, dass bei den Studenten „die krankhaften Zu-
stände der Gesinnung der Sitten unserer Zeit“73 nicht um sich griffen. Es
sollten also nicht die Symptome, sondern die Ursachen bekämpft werden,
was ganz der Haltung Thuns oder der Auffassung Jarckes entsprach, durch
die reformierten Universitäten die Studenten zu loyalen Bürgern zu erzie-
hen. Immer wieder erscheint auch das Motiv, dass auch in Tirol, der Festung
des Glaubens, der moralische Verfall jederzeit drohe und daher den Anfän-
gen stets gewehrt werden müsse.
Bei einem anderen Ereignis konnte sich Thun selbst von der Stimmung
unter den Tiroler Studenten überzeugen. Im Jahr 1854 besuchte er nämlich
während seiner Reise aus dem Trentino nach Wien die Innsbrucker Univer-
sität.74 Die Studenten und Schüler veranstalteten bei diesem Ereignis einen
Fackelzug und trugen mehrere Gedichte und Lieder vor, die sie eigens für
den Anlass gedichtet und einstudiert hatten. In einem der Gedichte, betitelt
„Gruß aus Tirol“75, wird der Minister in pathetischer Form als neuer Pro-
metheus gefeiert, der im Land Tirol das Licht der Wissenschaft entzündet
habe und dem damit auf ewig Dank gebühre.
Besonders das Motiv der Freiheit der Wissenschaften wird in diesem Ge-
dicht mehrfach betont. Außerdem wird die Herkunft des Geschlechts der
Thun-Hohenstein aus dem Tiroler Raum thematisiert und damit gewisser-
maßen die Reform auch als Verdienst des Landes gefeiert. Etwas zugäng-
licher, aber nicht weniger pathetisch ist hingegen der zweite Text, den die
Studenten vorgetragen hatten.
Dabei handelt es sich um ein Lied, das die Studenten auf die Melodie von
Wenzel Kalliwodas „Das deutsche Lied“76 geschrieben hatten und das die
Innsbrucker Liedertafel vortrug.77 Der Kerngedanke des Liedes ist indes
73 Ebenda.
74 Vgl. die Meldungen in Bothe für Tirol und Vorarlberg, 152 (06.07.1854), S. 803; Innsbru-
cker Nachrichten, 133 (06.07.1854), S. 837; unterkircHer, Chronik von Innsbruck.
75 Siehe den Druck des Gedichts: An den Herrn Unterrichtsminister Leo Grafen v. Thun.
Gruß aus Tirol, in: Bothe für Tirol und Vorarlberg, 150 (04.07.1854), S. 791. Das Gedicht ist
im Anhang abgedruckt.
76 Die Melodie und den ursprünglichen Text des Liedes siehe in der Digitalen Liedersamm-
lung der Badischen Landesbibliothek [http://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/content/page-
view/1070039], 23.10.2014. Siehe auch kurz zum Lied und dessen Verbreitung bei Fried-
helm Brusniak, Der Deutsche Sängerbund und das „deutsche Lied“, in: Helmut Loos (Hg.),
Nationale Musik im 20. Jahrhundert. Kompositorische und soziokulturelle Aspekte der
Musikgeschichte zwischen Ost- und Westeuropa, Leipzig 2004, S. 409–421, hier S. 410–
411.
77 Siehe Huldigungsgedichte für Leo Thun, Innsbruck 07.1854, Nachlass Leo Thun-Hohen-
stein, A3 XXI D271, Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Boden-
bach. Das Gedicht ist im Anhang abgedruckt.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen