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5 DIE PERSONALPOLITIK LEO THUNS AN DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
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System wissenschaftlich sozialisiert worden. Diese personelle Erneuerung
war wohl letztlich auch nur möglich durch die weitgehend zentrale Steue-
rung der Berufungspolitik durch das MCU.803
Für den Großteil der neu ernannten Professoren an der philosophischen
Fakultät war es der erste Ruf an eine Universität, während an der juridi-
schen auch in diesem Fall das Verhältnis ausgeglichener war. Einige der
jungen Professoren, die Thun nach Innsbruck berufen hatte, erhielten spä-
terhin auch einen Ruf an eine größere, prestigeträchtigere Universität:
Hlasiwetz, Waltenhofen, Kerner und Maassen wurden jeweils nach Wien
berufen (Waltenhofen über den Umweg nach Prag, Maassen lehrte kurz in
Graz); Karl Schenkl erhielt einen Ruf nach Graz, August Geyer folgte einem
Ruf nach München, Occioni lehrte zuletzt in Rom. Die älteren Professoren
blieben hingegen meist bis zu ihrer Emeritierung in Innsbruck. Innsbruck,
als die damals kleinste Universität des Reiches, erweist sich für die 1850er-
Jahre damit als eine „Einstiegsuniversität“804 für den Beginn einer akade-
mischen Karriere.805
Die Zahl der Professoren mit kirchlichen Weihen hatte sich durch die
Gründung der theologischen Fakultät seit 1848 zwar genau verdoppelt,
jedoch waren nun alle geistlichen Professoren an eben dieser Fakultät be-
schäftigt. An der philosophischen Fakultät lehrte nun kein Priester oder
Mönch mehr, einzig Ignaz Vinzenz Zingerle hatte 1847 die niederen Weihen
empfangen. Er war jedoch kurz darauf aus dem geistlichen Stand ausgetre-
ten und hatte geheiratet.
Mit der Reform sind auch einige neue Lehrstühle etabliert worden. An
der Rechtsfakultät ist in erster Linie der Lehrstuhl für deutsche Reichs- und
Rechtsgeschichte zu nennen. Zudem wurde die Kanzel für Römisches Recht
vom Kirchenrecht getrennt und doppelt besetzt, sodass hier deutlich das
Thun’sche Programm der Förderung der historischen Richtung innerhalb
803 Vgl. dazu auch die Hinweise bei William Clark, der mit Blick auf die Abschaffung der sog.
‚Familienuniversität‘ die zentrale Steuerung der Berufungspolitik durch das Ministerium
betont hat und meinte: „In this case, the professor would reproduce not a group in the first
instance, but a system“. cLark, Academic charisma and the origins of the research univer-
sity, S. 17.
804 Vgl. dazu auch die Terminologie von Marita Baumgarten, Professoren und Universitäten
im 19. Jahrhundert. Zur Sozialgeschichte deutscher Geistes- und Naturwissenschaftler (=
Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 121), Göttingen 1997. Baumgarten schlägt
auf Grund ihrer Untersuchung von Karriereverläufen an deutschen Universitäten im 19.
Jahrhundert eine Einteilung der deutschen Universitäten in Einstiegs-, Durchgangs- und
Zieluniversitäten vor.
805 Für das spätere 19. Jahrhundert hat Jan Surman hingegen eine differenziertere Perspek-
tive offengelegt. Vgl. surman, Habsburg Universities 1848–1918, ab S. 245, besonders dann
S. 258–260 und die Grafiken S. 495–496.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen