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5.17. THUNS PERSONALPOLITIK. RESÜMEE 333
der Rechtswissenschaften deutlich wird. In der philosophischen Fakultät ist
die Entwicklung noch klarer. Hier wurde das Fach Chemie aus dem medi-
zinisch-chirurgischen Studium herausgelöst und als selbstständige Kanzel
etabliert. Ähnliches erfolgte auch an den meisten anderen Universitäten, wo
zudem die Naturgeschichte in mehrere Kanzeln aufgespalten wurde, was
in Innsbruck nicht geschehen war. Weitere neue Lehrkanzeln waren jene
für deutsche Sprache und Literatur und jene für italienische Sprache und
Literatur. Erstere wurde vollkommen neu geschaffen, für die Kanzel der ita-
lienischen Sprache gab es einen Anknüpfungspunkt im italienischen Sprach-
unterricht, der im Rahmen des philosophischen Studiums angeboten worden
war. Mit der Einrichtung einer eigenen Lehrkanzel sollte der Unterricht in
italienischer Sprache und Literatur allerdings auf eine wissenschaftliche
Stufe gehoben werden, parallel dazu sollte ein Lehrer weiterhin die italieni-
sche Sprache vermitteln. Abgeschafft wurde hingegen die Kanzel für Religi-
onswissenschaft und Erziehungskunde, deren Unterricht an die Gymnasien
abgetreten wurde.
Die meisten neu ernannten Professoren waren demnach auch Fachwis-
senschaftler modernen Typs, die Spezialisten in ihren Fächern waren und
an die anders als etwa im philosophischen Kurs ein höherer wissenschaft-
licher Anspruch gestellt wurde. Während des Vormärzes kam es beispiels-
weise häufiger vor, dass Professoren ihr Fachgebiet wechselten oder ein
anderes Fach über mehrere Semester supplierten. Der eingangs erwähnte
Michael Haidegger, Professor für Religionswissenschaften, supplierte in
den Jahren 1835 und 1839 etwa zeitweise auch die Kanzel für Physik.806
Derartiges gab es nach 1848 zwar vereinzelt, Thun verwahrte sich aber
grundsätzlich gegen ein solches Vorgehen: Als etwa der Professor für klas-
sische Philologie, Kopetzky, das Fach Philosophie supplieren wollte, lehnte
er dies ab. Alois Flir war Professor für klassische Philologie und Ästhetik,
veröffentlichte aber zuletzt Bücher über Shakespeare und Goethe und war
gleichzeitig als Dichter tätig. Seine Nachfolger hingegen widmeten sich aus-
schließlich der Lehre und Forschung in ihrem Fach klassische Philologie.
Allerdings herrschte gerade in der Übergangszeit ein gewisses Nebeneinan-
der von älteren noch im Vormärz ausgebildeten Professoren und der jungen
Generation an Fachwissenschaftlern.
Wie das Briefnetzwerk und die Majestätsvorträge deutlich zeigen, zählte
für Thun neben der wissenschaftlichen Eignung besonders die tadellose po-
litische und moralische Haltung der zu ernennenden Personen. Dies gilt für
Innsbruck umso mehr, als das streng katholische Milieu in Tirol die Ernen-
nung von protestantischen Professoren nicht zuließ, was etwa an anderen
806 steinmaurer, Die Lehrkanzel für Experimentalphysik, S. 70.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen