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5.17. THUNS PERSONALPOLITIK. RESÜMEE 335
bis in die Formulierung gleichen, so erkannte etwa Friedrich Naumann 1907
im Wirken Althoffs ein „fast diktatorisches Regime“809 ohne sich klar zu po-
sitionieren, ob dieses zum Vor- oder Nachteil der Universitäten und der Wis-
senschaften gereicht hatte. Umgekehrt sprach Gary Cohen 90 Jahre später
von Leo Thuns Amtsführung, die dieser mit „virtually dictatorial authori-
ty“810 ausgeübt habe.
Eine andere, ähnliche Parallele lässt sich zu Justin Linde – und damit ei-
nem Mitglied von Thuns Netzwerk – ziehen, der als Kanzler der Universität
Gießen während der 1830er- und 1840er-Jahre die Geschicke der dortigen
Universität lenkte und der, beschränkt auf den engeren Kreis seiner Univer-
sität, ein ähnlich rigides Regiment führte, wohl ebenfalls im Glauben, damit
am besten der Universität und den Wissenschaften dienen zu können.811 Er
erkannte daher in einem Brief an Thun auch dessen Vorgehen und Methode
bei der Besetzung offener Stellen an und lobte es ausdrücklich:
Ein Kultus und Unterrichtsminister macht Grundlagen, die leicht auf Jahr-
hunderte nach ihm, und stellt Personen an, die im Großen und Ganzen we-
nigstens ein Menschenleben hindurch oft noch in kommenden Generationen
die Richtung des sittlichen und geistigen Lebens der ganzen Nation so unwie-
derstehlich bestimmen, daß ein nachfolgender Minister, wenn er ein System
des Vorgängers durchgeführt findet, sich nur auf die Fortführung zu beschrän-
ken hat. E. Excellenz haben diese Aufgabe für eine unermeßliche Monarchie
und wie es mir scheint unter schwierigen Verhältnissen als Erbschaften der
Vergangenheit. Wo man aber mit weniger tauglichen Einrichtungen der Vor-
zeit, mit tief eingewurzelten Vorurtheilen für alte und gegen neue Systeme
zu kämpfen hat und wo einem dennoch bei den unfahrbarsten Wegen oft der
rechte Wegweiser und guter Vorspann fehlt, da gehört mehr als menschliche
Kraft dazu, bald und sicher zum Ziele zu kommen. Das war schon lange die
Ansicht, welche ich von der großen Aufgabe E. Excellenz hatte, und bei der
ich deshalb so sehr wünschte, mit meinen geringen Kräften hochderselben zur
Disposition zu sein.812
809 Zit bei Brocke, Berufungspolitik und Berufungspraxis im Deutschen Kaiserreich, S. 96.
810 coHen, Education and Middle-Class Society in Imperial Austria 1848–1918, S. 26.
811 feLscHow et al., Universität und Ministerium im Vormärz, S. XVIII–XXIV.
812 Linde an Thun (Konzept), Frankfurt a.M. 31.05.1854, N 1759, 51, Bundesarchiv Koblenz.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen