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8.4. DIE BIBLIOTHEK ALS WISSENSCHAFTLICHES INSTRUMENT 413
der Studenten arm ist“63. Für säumige Buchentlehner wurde vom Ministe-
rium übrigens eine Praxis empfohlen, die man in Wien begonnen hatte: War
die Entlehnfrist für ein Buch überschritten, sandte man einen Boten zu dem
Ausleiher, der ihn an sein Versäumnis erinnerte. Dem Boten musste man
dann einen Botenlohn entrichten.64
Die Zahl der Entlehnungen und Benutzer stieg in der Folge dennoch jähr-
lich an: Wurden im Zeitraum von 1850–1853 lediglich 375 Bücher ausgelie-
hen, waren es allein im Jahr 1864 bereits 2687 Bände.65
Um wieder auf Scherer selbst und dessen professionelles Selbstverständ-
nis zurückzukommen, so erklärt sich dessen Unzufriedenheit mit der neuen
Situation auch dadurch, dass er als Bibliothekar zum „scientifischen Perso-
nal“66 der Universität gezählt wurde und daher wohl auch Tätigkeiten wie
das Versehen von Ausleihdiensten nicht seinem Rang und seiner Qualifika-
tion entsprechend ansah.
Scherer, und auch das erscheint als Gemeinplatz bibliothekarischen
Selbstverständnisses der Zeit,67 betonte jedoch auch mehrfach die großen
Anstrengungen und die Opferbereitschaft, die mit seiner Tätigkeit verbun-
den waren und unterstreicht etwa die „Selbstaufopferung“68, die für die Ar-
beit an den Katalogen nötig war.
Die Bibliothekare waren im Übrigen bis zur Thun’schen Reform den Pro-
fessoren in ihrem Gehalt gleichgestellt. Mit der Reform wurde das Grundge-
halt der Professoren erhöht, nicht aber das der Bibliothekare, was dann auch
Scherers Nachfolger Ignaz Zingerle veranlasste, eine Angleichung auch für
das Bibliothekspersonal zu fordern. Die Begründung sah Zingerle sowohl in
der Qualifikation des Personals als auch in dem erhöhten Arbeitsaufwand.69
63 Ebenda.
64 Vgl. Thun an Statthalterei, Wien 16.04.1856, Statthalterei Studien 7868/1856, Tiroler Lan-
desarchiv.
65 Siehe Kögeler an die Statthalterei, Innsbruck 29.03.1865, Statthalterei Studien 11306 ad
1583/1865, Tiroler Landesarchiv.
66 Scherer an die Statthalterei, Innsbruck 24.10.1851, Statthalterei Studien 9314 ad
3003/1851, Tiroler Landesarchiv.
67 Vgl. dazu eine der einflussreichsten Schriften zur Bibliothekskunde im 19. Jahrhundert,
Friedrich Adolf eBert, Die Bildung des Bibliothekars, Leipzig 1820, S. 9 und S. 56.
68 Scherer an die Statthalterei, Innsbruck 06.12.1855, Statthalterei Studien 23007 ad
2038/1855, Tiroler Landesarchiv. Vgl. auch Kögeler an die Statthalterei, Innsbruck
29.03.1865, Statthalterei Studien 11306 ad 1583/1865, Tiroler Landesarchiv. Dieser
schreibt: „Überladen mit gewöhnlichen Bibliotheksgeschäften mußte der Gefertigte, ob-
wohl mannigfach angeregt, bisher auf die Ausführung so mancher längst beschlossener, im
Interesse der Bibliothek beinahe unerläßlicher Arbeiten verzichten.“
69 Zingerle an die Statthalterei, Innsbruck 14.06.1858, Statthalterei Studien 12116 ad
47276/1858, Tiroler Landesarchiv.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen