Page - 30 - in Venus im Pelz
Image of the Page - 30 -
Text of the Page - 30 -
unüberwindlichen Abscheu gegen alles Niedere, Gemeine, Unschöne.
Als etwas ganz besonders Niederes und Unschönes erschien jedoch dem
reifenden Jüngling die Liebe zum Weibe, so wie sie sich ihm zuerst in ihrer
vollen Gewöhnlichkeit zeigte. Ich mied jede Berührung mit dem schönen
Geschlechte, kurz, ich war übersinnlich bis zur Verrücktheit.
Meine Mutter bekam – ich war damals etwa vierzehn Jahre alt – ein
reizendes Stubenmädchen, jung, hübsch, mit schwellenden Formen. Eines
Morgens, ich studierte meinen Tacitus und begeisterte mich an den Tugenden
der alten Germanen, kehrte die Kleine bei mir aus; plötzlich hielt sie inne,
neigte sich, den Besen in der Hand, zu mir, und zwei volle frische köstliche
Lippen berührten die meinen. Der Kuß der verliebten kleinen Katze
durchschauerte mich, aber ich erhob meine ›Germania‹ wie ein Schild gegen
die Verführerin und verließ entrüstet das Zimmer.«
Wanda brach in lautes Lachen aus. »Sie sind in der Tat ein Mann, der
seinesgleichen sucht, aber fahren Sie nur fort.«
»Eine andere Szene aus jener Zeit bleibt mir unvergeßlich«, erzählte ich
weiter, »Gräfin Sobol, eine entfernte Tante von mir, kam zu meinen Eltern auf
Besuch, eine majestätische schöne Frau mit einem reizenden Lächeln; ich
aber haßte sie, denn sie galt in der Familie als eine Messalina, und benahm
mich so unartig, boshaft und täppisch, wie nur möglich gegen sie.
Eines Tages fuhren meine Eltern in die Kreisstadt. Meine Tante beschloß
ihre Abwesenheit zu benützen und Gericht über mich zu halten. Unerwartet
trat sie in ihrer pelzgefütterten Kazabaika herein, gefolgt von der Köchin,
Küchenmagd und der kleinen Katze, die ich verschmäht hatte. Ohne viel zu
fragen, ergriffen sie mich und banden mich, trotz meiner heftigen Gegenwehr,
an Händen und Füßen, dann schürzte meine Tante mit einem bösen Lächeln
den Ärmel empor und begann mich mit einer großen Rute zu hauen, und sie
hieb so tüchtig, daß Blut floß und ich zuletzt, trotz meinem Heldenmut, schrie
und weinte und um Gnade bat. Sie ließ mich hierauf losbinden, aber ich
mußte ihr kniend für die Strafe danken und die Hand küssen.
Nun sehen Sie den übersinnlichen Toren! Unter der Rute der schönen
üppigen Frau, welche mir in ihrer Pelzjacke wie eine zürnende Monarchin
erschien, erwachte in mir zuerst der Sinn für das Weib, und meine Tante
erschien mir fortan als die reizendste Frau auf Gottes Erdboden.
Meine katonische Strenge, meine Scheu vor dem Weibe war eben nichts,
als ein auf das Höchste getriebener Schönheitssinn; die Sinnlichkeit wurde in
meiner Phantasie jetzt zu einer Art Kultur, und ich schwur mir, ihre heiligen
Empfindungen ja nicht an ein gewöhnliches Wesen zu verschwenden, sondern
für eine ideale Frau, womöglich für die Liebesgöttin selbst aufzusparen.
30
back to the
book Venus im Pelz"
Venus im Pelz
- Title
- Venus im Pelz
- Author
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 114
- Keywords
- Novelle, Liebe
- Categories
- Weiteres Belletristik