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Venus im Pelz
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unüberwindlichen Abscheu gegen alles Niedere, Gemeine, Unschöne. Als etwas ganz besonders Niederes und Unschönes erschien jedoch dem reifenden Jüngling die Liebe zum Weibe, so wie sie sich ihm zuerst in ihrer vollen Gewöhnlichkeit zeigte. Ich mied jede Berührung mit dem schönen Geschlechte, kurz, ich war übersinnlich bis zur Verrücktheit. Meine Mutter bekam – ich war damals etwa vierzehn Jahre alt – ein reizendes Stubenmädchen, jung, hübsch, mit schwellenden Formen. Eines Morgens, ich studierte meinen Tacitus und begeisterte mich an den Tugenden der alten Germanen, kehrte die Kleine bei mir aus; plötzlich hielt sie inne, neigte sich, den Besen in der Hand, zu mir, und zwei volle frische köstliche Lippen berührten die meinen. Der Kuß der verliebten kleinen Katze durchschauerte mich, aber ich erhob meine ›Germania‹ wie ein Schild gegen die Verführerin und verließ entrüstet das Zimmer.« Wanda brach in lautes Lachen aus. »Sie sind in der Tat ein Mann, der seinesgleichen sucht, aber fahren Sie nur fort.« »Eine andere Szene aus jener Zeit bleibt mir unvergeßlich«, erzählte ich weiter, »Gräfin Sobol, eine entfernte Tante von mir, kam zu meinen Eltern auf Besuch, eine majestätische schöne Frau mit einem reizenden Lächeln; ich aber haßte sie, denn sie galt in der Familie als eine Messalina, und benahm mich so unartig, boshaft und täppisch, wie nur möglich gegen sie. Eines Tages fuhren meine Eltern in die Kreisstadt. Meine Tante beschloß ihre Abwesenheit zu benützen und Gericht über mich zu halten. Unerwartet trat sie in ihrer pelzgefütterten Kazabaika herein, gefolgt von der Köchin, Küchenmagd und der kleinen Katze, die ich verschmäht hatte. Ohne viel zu fragen, ergriffen sie mich und banden mich, trotz meiner heftigen Gegenwehr, an Händen und Füßen, dann schürzte meine Tante mit einem bösen Lächeln den Ärmel empor und begann mich mit einer großen Rute zu hauen, und sie hieb so tüchtig, daß Blut floß und ich zuletzt, trotz meinem Heldenmut, schrie und weinte und um Gnade bat. Sie ließ mich hierauf losbinden, aber ich mußte ihr kniend für die Strafe danken und die Hand küssen. Nun sehen Sie den übersinnlichen Toren! Unter der Rute der schönen üppigen Frau, welche mir in ihrer Pelzjacke wie eine zürnende Monarchin erschien, erwachte in mir zuerst der Sinn für das Weib, und meine Tante erschien mir fortan als die reizendste Frau auf Gottes Erdboden. Meine katonische Strenge, meine Scheu vor dem Weibe war eben nichts, als ein auf das Höchste getriebener Schönheitssinn; die Sinnlichkeit wurde in meiner Phantasie jetzt zu einer Art Kultur, und ich schwur mir, ihre heiligen Empfindungen ja nicht an ein gewöhnliches Wesen zu verschwenden, sondern für eine ideale Frau, womöglich für die Liebesgöttin selbst aufzusparen. 30
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Venus im Pelz
Titel
Venus im Pelz
Autor
Leopold Von Sacher-Masoch
Datum
1901
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
114
Schlagwörter
Novelle, Liebe
Kategorien
Weiteres Belletristik
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