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Viktor E. Frankl - Gesammlte Werke
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Inhalt und Gliederung 37 handle so, ich werde so leben, als ob es einen letzten Sinn gäbe, ich werde so leben, als ob es Gott gäbe. Allerdings kann die Entscheidung für diese „Glaubenswette“ nicht erzwungen wer- den, und das heißt, dass Glaube sich nie auf Befehl vollziehen kann. Glaube braucht die Freiheit des sich entscheidenden Menschen, die aber ihrerseits die Glaubwürdig- keit des Zu-Glaubenden braucht. In diesem Sinne kann man die Entscheidung für den religiösen Glauben nur dann als sinnvoll aufleuchten lassen, wenn es gelingt, Glaub- würdigkeit zu bezeugen. Frankl folgt seinem Gesprächspartner Lapide, wenn er der Meinung zustimmt, dass man dem Ethos der Bibel einerseits gerecht wird, wenn man die Glaubwürdigkeit eines Lebens aus dem Glauben durch selbsttranszendente Taten zum Ausdruck bringt. Ein Raum der Glaubwürdigkeit, den es zum Glauben braucht, entsteht also erst, wenn und wo man die Selbsttranszendenz menschlicher Existenz walten lässt. Demselben Ethos entspricht andererseits, dass der religiöse Glaube im Gebet zuallererst nicht Geborgenheit, seelisches Gleichgewicht, oder ein gutes Ge- wissen sucht, sondern ganz nicht-utilitaristisch Zwiesprache hält: Beten heißt für mich, die Dinge so sehr „sub specie aeternitatis“ zu sehen, also so ganz unabhän- gig von mir; Gebet ist für mich vielmehr ein Absegnen, die Dinge in einer Perspektive sehen, dass sie potenziell wieder einen Sinn haben könnten trotz der Schrecklichkeit. [...] Diese Zwie- sprache in letzter Ehrlichkeit und Einsamkeit, das ist dann das Beten, vielleicht ist da auch gar keine Hoffnung, sondern ein Aufrechterhalten meines Glaubens an eine letzte Sinnhaftigkeit ungeachtet jeder Hoffnung oder Nicht-Hoffnung. Und meistens taucht das sogar auf in einem Moment, wo es trotz der Hoffnungslosigkeit geschieht. Es ist allgemein bekannt, dass die Vernünftigkeit einer Entscheidung für den religi- ösen Glauben heutzutage am häufigsten durch das sogenannte Theodizee-Problem in Frage gestellt wird. Dieses Problem besteht „in dem anscheinenden Widerspruch zwischen der Erfahrung des konkreten Ausmaßes von Übel und Leid einerseits und dem theistischen Bekenntnis zu einem allmächtigen, gütigen und gerechten Gott andererseits“ (Kreiner 2005, 36). Es kann Viktor Frankl nicht vorgeworfen werden, dass er die Theodizee-Frage in seinem persönlichen Gespräch mit Pinchas Lapide nur aus der Perspektive des religiösen Glaubens, und deshalb nicht als logisches Wi- derspruchsproblem, sondern als eine primär praktische Herausforderung in Betracht zieht. Für Frankl wirft die Leiderfahrung nämlich vor allem die Frage nach dem Sinn des Leidens auf. Im Sinne einer „Pathodizee“ beschränkt er sich auch allgemein dar- auf, zu fragen, welchen Sinn das Leiden habe:
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Viktor E. Frankl Gesammlte Werke
Psychotherapie, Psychiatrie und Religion. Über das Grenzgebiet zwischen Seelenheilkunde und Glauben
Title
Viktor E. Frankl
Subtitle
Gesammlte Werke
Authors
Alexander Batthyany
János Vik
Karlheinz Biller
Eugenio Fizzotti
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20574-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
318
Keywords
Psychotherapie, Psychologie, Psychiatrie, Religion, Logotherapie, Existenzanalyse, Viktor Frankl
Category
Geisteswissenschaften
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