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vor allem umeine „unauffällige Formder Reklame“ handle. Es sei eine nennens-
werte Leistung einiger Unternehmer– folgerte dieArbeiter-Zeitung (!)–, „dass sie
den Film in denDienst der Industrie oder des Fremdenverkehrs stellt“, ohne dass
derGroßteildesPublikumsahnt,dassmanes füreineSachezugewinnenversucht.
„Manmerkt kaum, dass die prachtvollenWandelbilder von Landschaftsschönhei-
tenSelbstzweckwaren, sosehrverflochtensiesichmitderHandlung.“208
Wie „dezent“ die Reisebilder aus Österreich-Ungarn dieser Jahre hinsichtlich
ihrer Werbewirkung tatsächlich ausfielen, lässt sich in den meisten Fällen nicht
mehreruieren.DieMehrheitdieserAufnahmengilt als verschollen.Einesderweni-
generhaltenenBeispieleausderProduktionder„Österreichisch-UngarischenKino-
industrie“, MARIAZELL (1911), ist noch stark vom „Ansichtscharakter“ geprägt. Es
fehlen ersichtliche und narrativ richtungsweisende Anfangs- und Endpunkte.209
Szenerien in totaler Einstellungund ebenerdiger Kameraposition sind aneinander-
gereiht. Straßenzüge, Plätzewerden abgeschwenkt, eineÜbersicht über Bauwerke
(z.B.Haus„ZumGutenHirten“,BasilikaMariazellusw.)undLandschaftsansichten
wird geboten. Von einem erhöhten Standpunkt auswird der Hauptplatz der Stadt
allmählich Punkt für Punkt gestreift, das teils getönte Material verweist auf eine
denAusdrucknuancierendeViragierung.DenInnenansichtenMariazells folgenBil-
der, die von außen einen Blick auf die Stadtanlage und ihre landschaftlich idylli-
sche, gefällige Umgebung gewähren. Die mehr oder weniger offensichtliche
Präsentation von Gästehäusern des Orts (Hotel Goldener Löwe, Hotel Goldenes
Kreuz) lässt vermuten, dass hier imHintergrunddurchaus auchAuftraggeber fun-
gierten.210DerAbsatzderartig gestalteterBilder schiengrundsätzlichgarantiert. So
wurden demFremdenverkehr dienende Filme „jederzeit bereitwillig“ von Kinoun-
ternehmern„gegeneinenbloßenSpesenersatz“ imProgrammplatziert.211
Zu den zentralenHerstellern österreichischer Travelogues vor demAusbruch
des Ersten Weltkriegs zählte bis inklusive 1912 das Team Kolm-Veltée-Fleck,
danach dominierte Sascha Kolowrat diesen Bereich der Laufbildproduktion. Die
Reisebilder aus der Monarchie waren vielfältig: Brachte die „Österreichisch-
Ungarische Kinoindustrie“ etwa PRAG (1911), GRAZ (1911), MELK (1911), LAXENBURG
(1911), KROATISCHESEEN (1911),DASTHAYATAL (1911) oderDAS INNTAL (1911)212 indie
208 Arbeiter-Zeitung,„FilmundFremdenverkehr“, 12.Mai 1914,S.6.
209 Das Fehlen von Anfangs- und Endmarkern ist durchaus charakteristisch für die fiktionalen
AnsichtenderkinematographischenFrühzeit.Vgl.dazuauch: Jung,ÄsthetischerWandel,S. 225.
210 Reisefilmewaren indenmeistenFällenAuftragsfilme.DieSichtbarmachungvonTransportun-
ternehmenoderHotels istoftals indirekterHinweisaufdieFinanciersderProduktionzuverstehen.
Vgl. dazu: Jacques, Pierre-Emmanuel: Reise- undTourismusfilme, in: Zimmermann,Yvonne (Hg.):
SchaufensterSchweiz.DokumentarischeGebrauchsfilme1896–1964,Zürich2011,S. 147.
211 Sierek,WIENINETTE ZU IHREMAUSGANGKAM, Lesemodus „Historischer Teil“, Kapitel „Werbefilm
1906–1918“,Anzeige„ErstesösterreichischeskonzessioniertesReklamefilm-Institut“.
212 Fritz,Dokumentarfilme,Verzeichnis1909–1914,Nr. 25, 29,30,32,44–48.
4.3 Reise-undTourismusfilme 45
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Der österreichische Werbefilm
Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Title
- Der österreichische Werbefilm
- Subtitle
- Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Author
- Karin Moser
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-062230-0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Culture of memory, media history, advertising
- Category
- Kunst und Kultur