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Geachtet wurde auf eine möglichst ausgewogene Lichtsetzung sowie auf die
Akzentuierung der Schwarz-Weiß-Kontraste: Bügelbrett, Waschbottich und Klei-
dungsstücke heben sich von der Umgebunghell ab. Ein einzelner, gezielt auf den
Wäschekasten ausgerichteter Lichtreflex lässt auch diesemwichtigen Element des
nachfolgendenBeweisführungsverfahrenserhöhteAufmerksamkeit zukommen.
VonBeginnanerfolgt eineklareTypisierungderFigurendurchderenKleidung
undGebärden.Ninette trägtweiteArbeitsaufmachung(Schürze, lockeres,perKopf-
tuch gebändigtes Haar) und ergeht sich in weinerlicher Verzweiflungsgestik. Die
Hausherrin übt sich – in gutbürgerlichemKostüm gekleidet – im drohendenMie-
nenspiel. Der uniformierte Soldat Jean zeugt vonunerschütterlicherHeiterkeit und
Optimismus. Der Kürze des Werbefilms entsprechend werden Charakterisierung
undFunktionderhandelndenPersonenpräzisiertundunmittelbarerfassbar.
DieSzeneriewirdmit festpositionierterKameragefilmt,die imtotalenBildaus-
schnitt die Schärfentiefe desObjektivs ausnutzt. Es liegt eine personale Erzählper-
spektive vor, der Point-of-view ist im Bewusstsein der Figuren angesiedelt.223 Der
FilmkommtohneZwischentitelaus.
Die dargelegte Lebenssituation der Zielgruppe vollzieht sich wie folgt: Die
Hausherrin betritt die Waschküche, schreitet den Raum ab, während Ninette im
Hintergrund entlangschleicht. Mit großen, aggressiven Gesten empört sich die
Dienstgeberin über die unverrichtete Arbeit. Sie inspiziert die schmutzigen Klei-
dungsstücke,dasBügelbrettundöffnetden leerenWäscheschrank.DasDienstmäd-
chen hält Arme und Hände näher am Körper, senkt den Kopf leicht, deutet
MutlosigkeitundTrotzan.MitdrohendemZeigefingergehtdieFraudesHausesab.
Ninette ringt verzweifelt dieHände, einzelnhebt siedie verschmutztenWäschestü-
cke hoch, setzt sich auf denWäschekorb undweint in theatralischer Manier. Die
Tür öffnet sich, Jean betritt die Szenerie. Er grinst, klopft sich freudig auf den
Schenkel, dasMädchenumarmt inherzlich.Ninette erklärt die aussichtsloseSitua-
tion (ahmt das Reiben derWäsche nach). Jean betrachtet die Kleidungsstücke, er
hat einen Geistesblitz (tippt sich auf die Stirn). Die Hausherrin betritt den Raum,
stellt sich zwischendie Liebendenundblickt erzürnt auf die noch immer schmut-
zigeWäsche. Der Soldat zieht sich zurück, verlässt dieWaschküche. Unterdessen
hältdieDamedesHausesNinetteeinePredigt,verstärktdasdrohendeMienenspiel.
DieDienstgeberin lässt dasMädchenmit derArbeit zurück. Letztere ist zusehends
erzürnt,mitwütenderhobenerFaustdeutet siederHerrinnach.Zornigwirft siedie
Kleidungsstücke in den Waschtrog, beginnt mit verzagter Mimik die Wäsche zu
säubern.
Jean kehrt zurück, er stellt demonstrativ ein Päckchen zur Schau. Der Soldat
legt seinenGürtel ab,öffnetdasPaketund leert impulsivden Inhalt indenBottich.
DasPulverwirbelthoch,Staubwolkenerhebensich.GemeinsamtunktdasPaardie
223 ZudenPoint-of-view-Variantensiehe:Heiser,Drehbuch,S. 175–186.
48 4 DieEntwicklungdes„werbenden“FilmsvordemErstenWeltkrieg
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Der österreichische Werbefilm
Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Title
- Der österreichische Werbefilm
- Subtitle
- Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Author
- Karin Moser
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-062230-0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Culture of memory, media history, advertising
- Category
- Kunst und Kultur