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1922 angepasst und stand in dieser Fassung bis 1929 in Kraft.5Die Diszipli-
narordnunggalt für alle Professoren, Privatdozenten,Assistentenundwissen-
schaftlicheHilfskräfte.
Je nachRangder betreffendenPersonwurdenverschiedene Sanktionsarten
unterschieden. Für Professoren kameineRüge, die durchZustellung des aus-
gefertigtenDisziplinarerkenntnisses vollzogenwurde, in Frage;weiters gab es
dieMöglichkeit derVersetzung indenRuhestand, unterUmständen sogarmit
gemindertenBezügen.AlsultimaratiowardieEntlassungvorgesehen.Ähnlich
sahdie Situationbei denAssistentenundwissenschaftlichenHilfskräften aus,
jedochwurdendiesebefristet angestelltenDienstnehmernicht indenvorzeiti-
genRuhestandversetzt,esbestandhingegendieMöglichkeitderMinderungder
Bezüge.Ganzanders gestaltete sichdieLagederPrivatdozenten,dadiese ja in
keinemDienstverhältnis zurUniversität standen:Hier sahdieDisziplinarord-
nungalsmöglicheSanktionennebenderRügedieEinstellungderLehrtätigkeit
füreinbiszweiSemesteroderaberinschwerwiegendenFällendieAberkennung
derLehrbefugnisvor.Zusätzlichbestandbei allenGruppendieMöglichkeit, in
besonders leichten Fällen den Beschuldigten lediglich eines Disziplinarverge-
hensschuldigzusprechen. ImDisziplinarverfahrenstandensichzweiParteien
gegenüber: auf der einen Seite der Disziplinaranwalt, der die Interessen der
Universität vertrat undaufder anderenSeite derBeklagte, der sichvoneinem
Professor der Wiener Universität oder von einem inländischen Verteidiger
vertreten lassen konnte. Die vorbereitendenHandlungen, also die Durchfüh-
rungdesVerfahrensunddieErstellungeinesUrteilsvorschlages,wurdenvonder
Disziplinarkammerdurchgeführt.
Diese setzte sich aus denMitgliedern des Disziplinarausschusses und des
Ergänzungsausschusses zusammen. Dem Disziplinarausschuss gehörten or-
dentliche und außerordentliche Professoren an – 1922 waren 12Mitglieder
vorgesehen,1929wurdederDisziplinarausschussauf16Mitgliederaufgestockt
–einTeildavonmusste rechtskundig sein.DerErgänzungsausschusshingegen
setztesichausdenVertreternderStandesgruppenzusammen.DieProfessoren,
Privatdozenten,Assistenten,wissenschaftlicheHilfskräfte,LektorenundLehrer
bildeten je eine Standesgruppe. Im konkreten Disziplinarfall setzte sich die
Disziplinarkammer aus dem Vorsitzenden, vier Mitgliedern des Disziplinar-
ausschusses undaus zweiMitgliederndesErgänzungsausschusses zusammen,
der Vorsitzende undmindestens einMitgliedmussten rechtskundig sein. Die
zweiMitglieder aus demErgänzungsausschussmussten der gleichen Standes-
gruppeangehörenwiederBeschuldigte.DerBeschuldigtehattedasRecht, zwei
Mitglieder ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Sowohl demDisziplinar-
5 Mit Beginndes Studienjahres 1929/30 trat die neueDisziplinarordnung inKraft, Senatsbe-
schlussvom12.7. 1929,Zl. 1076ex1928/29.
Disziplinarrecht80
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Title
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Authors
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 838
- Category
- Recht und Politik