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gungsgesetz) zur Verhandlung. Ludwig Adamovich erstattete Bericht, pries
zuerst dieErfolge auf denbeidenbisherigenAufgabengebietenderHochschu-
len, Forschung und Lehre, und fuhr fort: »Dieser Verdienste der österreichi-
schenHochschulen inDankbarkeit zu gedenken, erscheintmir einGebot der
Gerechtigkeit in der Stunde, in der in den organisatorischen Aufbau unserer
HochschuleneinneuerGedankeeingefügt,inderdieheutegegebenenAufgaben
derwissenschaftlichen ForschungundLehre durch eine neue, dritte Aufgabe,
die staatsbürgerlicher Erziehung der Studierenden, ergänzt werden sollen.«
Adamovich stellte die drei Mittel vor, durch die jene Aufgabe erfüllt werden
sollte, nämlich erstens die Einführung von Pflichtvorlesungen über weltan-
schauliche und staatsbürgerliche Erziehung sowie über die ideellen und ge-
schichtlichenGrundlagendesösterreichischenStaates,zweitensdieEinführung
vormilitärischerÜbungen,unddrittens»dieEinführungeinesGemeinschafts-
lebensder Studierenden inHochschullagern […], indeneneinerseits vormili-
tärischeÜbungenabgehaltenundgemeinnützigeArbeitenverrichtet,anderseits
auchVorträgeundAussprachenüberGegenständedesweltanschaulichenund
vaterländischen Gedankengutes veranstaltet werden sollen«.73Der Bundestag
beschlossdaraufhindieunveränderteAnnahmederGesetzesvorlage.
Das Hochschulerziehungsgesetz ist im Zusammenhang mit der austro-
faschistischen InstrumentalisierungvonSchule undUniversität zu sehen,weil
(Hoch-)Schulpolitik seit jeher imKernGesellschaftspolitik ist. Bereits imMai
1933wardieForderungnachvaterländischerErziehungandenSchulengestellt
undperErlass angeordnetworden,dass »die indenvaterländischenBildungs-
güternenthaltenenWerteinsolcherWeiseandieJugendherangebrachtwerden,
dasssievonihr freudigaufgenommenundbejahenderlebtwerdenunddasssie
sich schließlich durch stete Pflege zu Persönlichkeitswerten gestalten.«74Kurt
Schuschnigg hatte sich erst den Lehrplanänderungen an Schulen gewidmet,
darauf folgend jenen an den Universitäten. Schon 1934 wurden vorläufige
Lehrpläne fürHaupt- undMittelschulen erstellt, außerdemwieder Betragens-
noten indenReifezeugnissen eingeführt,womit politisch tätige Schüler/innen
mitderSittennote»Nichtentsprechend«rechnenmussten–unddadurchnicht
zum Hochschulstudium zugelassen wurden.1935 gab es einen endgültigen
neuen Mittelschullehrplan, der neben vormilitärischen Erziehungselementen
für dieAbschlussklasse denGegenstand »Vaterlandskunde« vorsahundunter
anderem die »Erziehung zur Hingabe an ein christliches, deutsches, freies
Österreich«zumZielhatte.75
73 Adamovich inderSitzungdesBundestagesvom26.6.1935, StPBT83 f.
74 Erlassvom12.5.1933.
75 Vgl. denMittelschullehrplan imVerordnungsblatt desBMfürUnterricht 1935/30. Zur au-
strofaschistischenSchulpolitiknäherDachs,Austrofaschismus282.
Allgemeines124
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Title
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Authors
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 838
- Category
- Recht und Politik