Page - 125 - in Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
Image of the Page - 125 -
Text of the Page - 125 -
Was an den Schulen gelehrt wurde, fand an denUniversitäten seine Fort-
setzung: Das Hochschulerziehungsgesetz sah auch für die Studierenden die
Verpflichtung »zumregelmäßigenBesuche vonVorlesungen zurweltanschau-
lichenund staatsbürgerlichenErziehungundüberdie ideellenundgeschicht-
lichenGrundlagendesösterreichischenStaates« sowie »zurTeilnahmeanvor-
militärischen Übungen« und »zur Ableistung einer Schulungsdienstzeit im
Hochschullager«(§2)vor,denn»[d]enwissenschaftlichenHochschulenobliegt
außerderPflegederForschungundLehreauchdieErziehungderStudierenden
zu sittlichen Persönlichkeiten imGeiste vaterländischer Gemeinschaft« (§1).
HansPernter,StaatssekretärimBundesministeriumfürUnterricht(29. Juli1934
bis 14.Mai 1936) undanschließend (bis 11.März 1938) selbst Bundesminister
für Unterricht, führte dazu aus: »Eine solche Erziehung zu einheitlicher Kul-
turauffassungundvaterländischemGemeinschaftsgeiste beeinträchtigt in kei-
nerWeise die Bestimmung unserer Verfassung über die Freiheit derWissen-
schaft und ihrer Lehre.Dieösterreichische Staatsführung ist durchaus gewillt,
die Freiheit des Geistes auf allen Gebieten derWissenschaft, solange sie sich
innerhalbderGrenzen strengwissenschaftlicherAuffassunghält, zu schützen,
dafürmusssieaberauchfordern,dassdieWissenschaftsichzumStaatebekennt
und die Hochschulen die ihnen anvertraute Jugend im Geiste dieses Staates
erziehen.Dazu sollennunalle dieMaßnahmendienen,welchedasHochschu-
lerziehungsgesetz vorsieht, einerseits die Pflichtvorlesungen zuweltanschauli-
cherundstaatsbürgerlicherErziehungundüberdievaterländischeGeschichte,
andererseits die der akademischen Jugend gewiss auch zusagendeWehrerzie-
hung durch vormilitärischeÜbungen sowie die Gemeinschaftserziehung im
Hochschullager.«76
Folglich war auch die Universität Wien angewiesen, entsprechende Vorle-
sungen für sämtlicheHörer/innen österreichischer Bundesbürgerschaft anzu-
bieten, weil Studierende ohne Unterschied der Studienrichtung77 verpflichtet
waren, in zwei der ersten vier Semester einschlägige Lehrveranstaltungen zu
absolvieren, vondenendieZulassung zur Fortsetzungdes Studiums abhängig
gemachtwurde.DasGesetz tratmit1.Oktober1935 inKraft,woraufhinsich in
denVorlesungsverzeichnissenderEintrag »Vorlesungen fürHörer aller Fakul-
täten, I.Pflichtvorlesungen für Studierende österreichischer Bundesbürger-
schaft« fand. Der Thematik gemäßwurden jene Lehrveranstaltungen haupt-
sächlich vonVortragenden der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät
sowievonTheologenund(Kirchen-)Historikerngehalten.
76 Pernter,Hochschülerschaft 7.
77 §10 Abs.3 nahm allerdings Hörer der katholisch-theologischen Fakultät vorläufig von
dieserVerpflichtungaus.Erstam30.7.1937wurdenauchsieperErlassdesBMfU(Z.41.230-
I-1/1936)derallgemeinenRegelungunterstellt.
DasHochschulerziehungsgesetz1935 125
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Title
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Authors
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 838
- Category
- Recht und Politik