Page - 153 - in Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
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3. DasDoktoratderRechtswissenschaften
DerErwerbeinesDoktoratesderRechtewurdeinderVerordnungvom15.April
1872,RGBl57/1872,geregelt.DemnachwarfürdieErlangungdesDoktoratesdie
Ablegungdreier »strengerPrüfungen«,Rigorosengenannt, erforderlich– eine
geschriebenewissenschaftlicheAbhandlungwar imLaufedes19. Jahrhunderts
außerGebrauchgekommenundnun fürdieErlangungeines JDr. auchoffiziell
nicht mehr vorgesehen. Die Voraussetzung für die Zulassung zu diesen Prü-
fungenwardasabsolvierteStudiumderRechts-undStaatswissenschaften.Die
Rigorosenwarenaus inhaltlicher Sicht ähnlichwie die Staatsprüfungen aufge-
baut: Das erste Rigorosum umfasste das römische, das kanonische und das
deutscheRecht.BeimzweitenRigorosumwurdedasösterreichischeZivilrecht,
Handels- undWechselrecht, derösterreichischeZivilprozess unddasösterrei-
chische Strafrecht samt Strafverfahren geprüft. Die Prüfungsgegenstände des
dritten Rigorosums waren das allgemeine und österreichische Staatsrecht,
VölkerrechtundpolitischeÖkonomie(darunterwurdenNationalökonomieund
Finanzwissenschaftverstanden).DieReihenfolgederRigorosenkonntevonden
Prüflingen frei gewähltwerden, allerdingsmussten alle »an derselbenUniver-
sität abgelegtwerden«.78
NachderpositivenAbsolvierungallerdreiRigorosenwurdederTitelDoctor
jurisutriusqueverliehen,dieserbeinhaltetedenDoctor juris canoniciundden
Doctor juris civilis. Eine Unterscheidung beider Titel erfolgte bis 1872 im
Hinblick auf jüdische Absolventen. Gem. desMinisterialerlasses vom 21.No-
vember1852konnten»Israeliten inkeinemFalle zuDoctorendescanonischen
Rechtespromovirtwerden«,79siewarenauchnichtverpflichtet,einePrüfungaus
kanonischem Recht beim Rigorosum abzulegen. Deshalb war es Juden nicht
möglichbis 1872 zumDoctor juris canonici und somit zumDoctor juris utri-
usquepromoviertzuwerden, siekonnten lediglichdenGradeinesDoctor juris
civiliserwerben.80DieseDiskriminierungderjüdischenStudentenwurdedurch
die RigorosenVO 1872 aufgehoben; §3 verkündete: »Die Religionsverschie-
denheit begründet keinenUnterschied in demRechte undder Pflicht zurAb-
legung der strengen Prüfungen aus dem kanonischen Rechte und in dem zu
erlangendenDoktorstitel«.
Die gegenständlicheVerordnung regelte nicht nur den inhaltlichenRahmen,
sondern auch organisatorische Fragenbei derAbhaltung vonRigorosen.Dem-
nachwarendieseöffentlich abzuhaltenunddauerten je zwei Stunden.Gem.§6
78 §4RigorosenVO.
79 Ministerialerlassvom21.11. 1852,Z. 6089, abgedruckt in:Thaa,Universitäten424 f.
80 Ministerial-Erlass vom18.2. 1853,Z. 676, abgedruckt in: Thaa, Universitäten 425.Dieser
verweistuaaufdasHofdecretvom25.10. 1790, JGS68/1790.
Allgemeines 153
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Title
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Authors
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 838
- Category
- Recht und Politik