Page - 14 - in Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Image of the Page - 14 -
Text of the Page - 14 -
14 Einleitung
fliktreiche Ineinandergreifen der Militär- und Zivilverwaltung bei der Administration
der Kriegsopferfürsorge, die verschiedensten schon im Krieg entwickelten Maßnah-
men zur Wiedereingliederung der Kriegsbeschädigten in die Erwerbsarbeit – die Ar-
beitstherapie, die Invalidenschulung und die Arbeitsvermittlung für Kriegsinvalide –,
werden im ersten Teil thematisiert. Die Entstehung einer mächtigen Invalidenbewe-
gung, in der erstmals Kriegsbeschädigte selbst ihre Stimme erhoben, der Aufbau eines
partizipativen Systems, die Etablierung einer umfassenden und mit Rechtsanspruch
versehenen Rentenversorgung für Kriegsbeschädigte, Kriegerwitwen und Kriegswai-
sen im richtungsweisenden Invalidenentschädigungsgesetz, die Probleme, die bei der
Umsetzung dieses Gesetzes in der Praxis nicht nur vor dem Hintergrund der wirt-
schaftlichen Schwierigkeiten auftraten, diverse andere Maßnahmen der Integration
und Versorgung von Kriegsbeschädigten und vor allem die Interaktionen zwischen
staatlichen Behörden und dem sich von von einem kämpferischen Verband zu einer
staatstragenden Organisation wandelnden großen Zentralverband der österreichischen
Kriegsbeschädigten – das alles sind die Inhalte des zweiten Teils. Den beiden Teilen ist
ein Kapitel über Begriffe vorangestellt. Benennung ist immer auch Definition, und
so macht es Sinn, den Konnotationen der zentralen Ausdrücke „Kriegsinvalider“,
„Kriegsbeschädigter“ und „Kriegsopfer“ nachzugehen. Die sprachliche Differenzie-
rung ist wichtig, aber auch zeitgebunden. Zwei statistische Kapitel zu den Zahlen der
Kriegsopfer sowie den Mitgliederzahlen der mächtigen Interessenvertretungen bilden
den Abschluss des Bandes.
1.1.1 Krieg, Opfer, Fürsorge : Kriegsopferfürsorge als Beginn moderner
wohlfahrtsstaatlicher Politik
Den thematischen Rahmen der Untersuchung stecken drei Begriffe ab, die bereits vor
dem Ersten Weltkrieg massiven historischen Wandlungen unterworfen gewesen wa-
ren, auf die dieser Krieg aber seinerseits ebenfalls großen Einfluss hatte : Krieg, Opfer
und Fürsorge bilden das Begriffsdreieck, das hier umrissen werden soll.
Krieg. Der Charakter eines Krieges,5 der seinerseits stark in der Organisation des
Heeres begründet ist, hat entscheidenden Einfluss auf das Ausmaß der Kriegsverluste.
Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und einer Verrechtlichung der we-
sentlichen Kriegsfragen waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg die wichtigsten Wei-
chen gestellt worden. Zunächst wurden parallel zur Herausbildung und Verfestigung
5 Siehe Dietrich Beyrau/Michael Hochgeschwender/Dieter Langewiesche (Hg.), Formen des Krieges.
Von der Antike bis zur Gegenwart (= Krieg in der Geschichte (KRiG) 37), Paderborn-München-Wien-
Zürich 2007.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Wundes des Staates
- Subtitle
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Authors
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Nach 1918