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39Kriegsinvalide
– Kriegsbeschädigte
– Kriegsopfer : Benennungen und Definitionen
wendet wird, trägt das zentrale Nachkriegsgesetz, das Invalidenentschädigungsgesetz
(IEG) von 1919,87 den Begriff zwar noch im Titel, spricht aber im Text selbst nur mehr
vom „Geschädigten“.88 Das alte militärische Wort tritt hier bloß noch im Kompositum
der „Invalidenrente“ auf.89
Zum Begriff des Invaliden war schon während des Ersten Weltkriegs der des
Kriegsbeschädigten hinzugekommen.90 Bei einer Kriegsverletzung von einer Schädi-
gung zu sprechen, war also nicht neu. In der Alltagssprache wurden die Bezeichnungen
praktisch synonym verwendet, doch in normativen Texten, in den Verordnungen und
Erlässen des Kriegs- und des Landesverteidigungsministeriums, wurde bis zum Ende
des Krieges zwischen (Kriegs-)Invaliden und Kriegsbeschädigten präzis unterschie-
den : Der Invalide war nach der geltenden Superarbitrierungsvorschrift der „zu allen
Militär-Diensten für immer untauglich[e]“91 Mann. Der Kriegsbeschädigte hingegen
galt als potenziell wiederherstellbar und hatte daher Anspruch auf „Nachbehandlung“,
wie der von Militär- und Zivilbehörden gemeinsam zur Verfügung gestellte Mix aus
medizinischer Behandlung, Nachheilung und Schulung genannt wurde.92 Weder aber
griff die Tatsache, dass ein Soldat dieser Nachbehandlung unterzogen wurde, dem
Urteil der Superarbitrierungskommission vor noch wurde dadurch ein Präjudiz für
eine künftige Rente geschaffen. Der Begriff des „Kriegsbeschädigten“ war – so be-
tonte das Kriegsministerium 1916 ausdrücklich – „nicht zu verwechseln mit dem Be-
griffe [‚Kriegs]-Invalide‘“. Ein Kriegsbeschädigter war für die Armee nicht mehr und
87 StGBl 1919/245.
88 Ebd., vgl. auch die Begriffe „schädigendes Ereignis“ (§ 1), „Gesundheitsschädigung“ (§ 3), „Kriegsbe-
schädigungen“ (§ 62).
89 Ebd., § 9 ff.
90 „Als Kriegsbeschädigte im Sinne der oben bezogenen Erlässe sind jene zur aktiven militärischen Dienst-
leistung verwendeten Personen anzusehen, die sich während und infolge der Ausübung des Militär-
dienstes im gegenwärtigen Kriege, ein die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigendes körperliches Gebrechen,
beziehungsweise eine derartige Krankheit oder auch nur eine Verschlimmerung einer solchen schon vor
ihrer Einrückung zur aktiven Dienstleistung erworbenen Krankheit zugezogen haben.“ Erlass des KM
v. 28.3.1916, Abt. I.F. Nr. 287 ex 1915 (Auslegung des Begriffes „Kriegsbeschädigte“ in den Erlässen des
Kriegsministeriums, Präs. Nr. 10942 und 22301 ex 1915), in : K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen
über Fürsorge für Kriegsbeschädigte, Wien 1916, S. 111. Der Begriff des Kriegsbeschädigten löste auch
im Deutschen Reich den älteren des Kriegskrüppels ab ; siehe Deborah Cohen, Kriegsopfer, in : Rolf
Spilker/Bernd Ulrich (Hg.), Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918. Eine Aus-
stellung des Museums Industriekultur Osnabrück im Rahmen des Jubiläums „350 Jahre Westfälischer
Friede“. 17. Mai–23. August 1998. Katalog, Bramsche 1998, S. 216–227, hier S. 221.
91 Superarbitrierungs-Vorschrift für die Personen des k. k. Heeres, vom Jahre 1885 (Ergänzt bis Ende April
1897), Wien 1897, § 54.
92 Zu Nachbehandlung und Schulung siehe Kapitel 4.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Wundes des Staates
- Subtitle
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Authors
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Nach 1918