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Nach 1918
Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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74 Die Gesetzgebung der Monarchie die keinen Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag hatten. Es ist höchst erstaunlich, dass jene Experten, die beauftragt waren, das alte Unterhaltsbeitragssystem zu reformie- ren, über die entscheidendste Erweiterung des Bezieherkreises während des Krieges nicht Bescheid wussten.74 Allerdings muss man den Ausschussmitglieder zugute halten, dass die Verordnung von 1915 tatsächlich äußerst unklar formuliert gewesen war, da, wie oben bereits gesagt, der Begriff der Invalidität an der entscheidenden Stelle in der Bestimmung gar nicht verwendet, sondern stattdessen von der „Rückberufung in das nichtaktive Verhältnis“ gesprochen wurde. Der ehemalige Unterrichtsminister Gustav Marchet75 hatte schon 1915 moniert, dass diese Veränderungen „textlich für die betei- ligten Kreise wenig verständlich“ seien.76 Dieser Mangel wurde mit dem neuen Gesetz behoben, indem dieses explizit eine Anspruchsberechtigung der Angehörigen auf Fort- zahlung des Unterhaltsbeitrages normierte, wenn „der Herangezogene mit einer nach- weisbar infolge der Dienstleistung eingetretenen mindestens 20prozentigen Verminde- rung der Erwerbsfähigkeit […] ausscheidet“.77 Damit wurde die 20-Prozent-Grenze aus dem § 2 der Verordnung von 1915 (wo sie Voraussetzung für die Gewährung staat- licher Unterstützungen war) nun auch in die Textierung des Unterhaltsbeitragsgesetzes übernommen (wo sie den Anspruch auf Unterhaltsbeiträge begründete). Zukunftsweisend ist eine weitere Bestimmung des neuen Unterhaltsbeitragsgeset- zes, die festlegte, dass sich die Kommissionen, die für die Berechnung und Vergabe der Unterhaltsbeiträge zuständig waren, neu konstituieren und nun auch zwei „Vertreter aus der Bevölkerung“ in ihr Gremium berufen mussten.78 Mit der Normierung die- 74 Ein Schlaglicht auf die Komplexität des Systems wirft auch eine weitere Episode. Das Ministerium für soziale Fürsorge hatte mit Erlass v. 12.4.1918 alle Landeskommissionen zur Fürsorge für heim- kehrende Krieger aufgefordert, Beratungsstellen für Kriegsbeschädigte zu installieren. Die Salzburger Landeskommission antwortet dem Ministerium auf diesen Erlass hin am 9.7.1918 : „[…] erlaubt sich die Landeskommission zu berichten, dass die Schaffung einer eigenen Auskunftsstelle militärischer Bei- räte hier nicht möglich ist, weil sich niemand Geeigneter finden lässt, der in den schwierigen Fragen der militärischen Versorgungsgebühren Bescheid weiss.“ Die Lösung des Problems fanden die Salzburger Beamten darin, einschlägige Anfragen daher an das Militärkommando Innsbruck weiterzuleiten ; AT- OeStA/AdR BMfsV Kb, Kt. 1362, 17505/1918. 75 Gustav Marchet (*1846, †1916), Jurist, 1901–1907 Reichsratsabgeordneter, 1906–1908 österreichischer Unterrichtsminister im Kabinett Beck, ab 1908 Mitglied des Herrenhauses, war entscheidend beteiligt am Zustandekommen des 1906 erlassenen Pensionsversicherungsgesetzes für Privatbeamten (RGBl 1907/1) ; Österreichisches biographisches Lexikon, Bd. 6, Wien 1974, S.  70. 76 Marchet, Die Versorgung, S.  11. 77 RGBl 1917/313, § 4 Abs 2. 78 Ebd., § 7 Abs 2. Dort heißt es : „Bei Bestellung der Letzteren [=Vertreter der Bevölkerung, AdA] sind die im betreffenden Gebiete am stärksten vertretenen Berufszweige in der Weise zu berücksichtigen, daß aus jedem dieser Berufszweige je zwei Vertreter berufen werden. Zu den Entscheidungen sind […] die dem Berufszweige des Herangezogenen angehörenden Vertreter zu bestimmen.“
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die Wundes des Staates
Subtitle
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Authors
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2015
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
586
Categories
Geschichte Nach 1918
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