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106 Die soziale Kriegsbeschädigtenfürsorge im Krieg
kranken Soldaten in einer zivilen Heilanstalt zahlen musste,42 hätte das Vermögen der
steirischen Landeskommission Ende 1915 etwa dazu gereicht, 150 Tbc-Kranke jeweils
ein Jahr lang zu versorgen, Niederösterreich hätte 366 Tbc-Kranke versorgen können,
und Oberösterreich 264. Angesichts der eher geringen Höhe der lukrierten Summen
verlegten sich die meisten Landeskommissionen darauf, das Geld in verschiedenen
Fonds anzulegen43 und nur sehr sparsam auszugeben. Auf Weisung aus Wien wurden
diese Fonds Anfang 1917 in die „Fürsorgefonds für heimkehrende Krieger“ mit eige-
ner Rechtspersönlichkeit umgewandelt.44 Die Spenden flossen 1917 zwar immer noch,
doch lang nicht mehr so üppig wie zu Beginn.45 Die Landeskommissionen waren
darauf angewiesen, dass die meisten Kosten von anderen Einrichtungen übernommen
wurden (die Kosten des Verwaltungspersonals etwa von der Landesregierung, die Kos-
ten für den Invalidenunterricht von den betreffenden Unterrichtsanstalten), sie selbst
lebten – wie etwa die Salzburger Landeskommission 1918 kritisch anmerkte – „von
der Hand in den Mund“.46
Sie blieben zudem
– wie ein scharfer Beobachter feststellte
– den ganzen Krieg über
„ein Zwitterding […], da sie amtlich geleitet, von freiwilligen Arbeitskräften geführt
und von privaten Mitteln dotiert werden“.47 Ob sie daher für die Aufgaben, für die sie
eingerichtet wurden, auch „vollständig unzweckmäßig“48 waren, wie derselbe Autor
behauptete, sei vorerst dahingestellt. Fest steht, dass die Landeskommissionen durch-
aus Aktivitäten zur beruflichen Reintegration von Kriegsbeschädigten entwickelten,
die freilich – je nach Perspektive – sehr unterschiedlich bewertbar sind. Bevor im Fol-
genden mit der Invalidenschulung und der Arbeitsvermittlung jene beiden Bereiche
näher betrachtet werden, die sicher zu den zentralsten und neuartigsten Gegenständen
staatlicher Intervention gehörten, muss noch das Zusammenspiel von Militär- und
Zivilstaatsverwaltung in diesem Feld geklärt werden.
42 Für die Heilbehandlung von Kriegsbeschädigten, die in nicht-militärischen Heilanstalten untergebracht
waren, mussten aus dem Heeresetat pro Tag und krankem Soldaten – für intern Erkrankte (für alle an-
deren Kriegsbeschädigten) – folgende Sätze gezahlt werden : ab 6.9.1915 : 3 Kr (3 Kr) / ab 15.10.1915 :
4 Kr (3 Kr) / ab 1.11.1916 (rückwirkend) : 5 Kr (4 Kr) / ab 6.3.1918 : 6 Kr 60 h (4 Kr) ; RGBl 1915/261 ;
Erlass des KM v. 15.10.1915, in : K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1915, S.
53 ; Erlass des KM
v. 14.1.1917, in : K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1917, S.
219 ; Erlass des KM v. 6.3.1918, in :
K.k. Ministerium für soziale Fürsorge, Mitteilungen, 1918, S. 98.
43 Die Steiermark schuf beispielsweise einen allgemeinen, einen Prothesen- und einen Blindenfonds.
44 K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1917, S. 219f.
45 K.k. Ministerium für soziale Fürsorge, Mitteilungen, 1918, S. 132.
46 AT-OeStA/AdR BMfsV Kb, Kt. 1553, Sa 11, 13074/1918, LK Salzburg an MfsF v. 25.4.1918.
47 Ebd., Kt. 1358, 3848/1918, S. 35.
48 Ebd., S. 36.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Wundes des Staates
- Subtitle
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Authors
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Nach 1918