Page - 107 - in Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Image of the Page - 107 -
Text of the Page - 107 -
107Militär-
und Zivilverwaltung
3.4 Militär- und Zivilverwaltung
Grundsätzlich war die Kriegsbeschädigtenfürsorge in ihrer zivilstaatlichen Ausprä-
gung keine gemeinsame Angelegenheit der Doppelmonarchie. Bis zur Einrichtung
des Ministeriums für soziale Fürsorge am 1. Jänner 1918 in Wien blieb in der öster-
reichischen Reichshälfte ja das Ministerium des Innern49 für diesen Teil der Kriegsbe-
schädigtenfürsorge zuständig. Es gab jedoch Überschneidungen mit dem Aufgaben-
bereich des Kriegsministeriums, das für bestimmte Aspekte dieser Fürsorge ebenfalls
verantwortlich zeichnete. Die Zuständigkeit des Kriegsministeriums war allerdings
nicht auf die österreichischen Länder beschränkt, sondern umfasste genauso die Län-
der der ungarischen Reichshälfte. Kompetenzprobleme waren also vorprogrammiert
und Kompetenzabgrenzungen in alle Richtungen notwendig. Die Staatsverwaltung
wusste das und appellierte an die „verantwortungsfreudige Selbstthätigkeit“50 bei der
Überwindung von solchen zwischen den Militär- und den Zivilbehörden auftretenden
Schwierigkeiten.51
Die Unbestimmtheit der ersten Regelungen und das Nebeneinander52 der militä-
rischen und der zivilstaatlichen Kriegsbeschädigtenfürsorge veranlassten das Kriegs-
ministerium schon im Frühsommer 1915, zumindest einige
– wenn auch nur knappe
–
Grundsätze zur Abgrenzung der Aufgaben von Militär- und Zivilstaatsverwaltung
aufzustellen.53 Zwar sollten Militär- und Zivilstaatsverwaltung gemeinschaftliche
Träger der Invalidenfürsorgeaktion sein, doch die administrativen und budgetären Zu-
ständigkeiten wurden grob verteilt : Der Militärverwaltung allein wurden die Erste
Heilung54 sowie die Bereitstellung künstlicher Körperersatzstücke (inklusive der
Reparaturen derselben) übertragen, der Militär- und Zivilstaatsverwaltung gemein-
sam
– und hier ergaben sich naturgemäß bald die meisten Schwierigkeiten
– die Nach-
49 Sektion II/Departement 6.
50 K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1915, S. 8.
51 Eine Aussage, die sich auf die Kriegsbeschädigtenfürsorge in Bosnien-Herzegowina ab Anfang 1915
bezieht, sei hier stellvertretend zitiert : „Die ernstliche Tätigkeit begann, und mit ihr bildete sich bei
allen massgebenden Faktoren die Einsicht, dass die einseitige Wirksamkeit der Zivilstaatsverwaltung
ebensowenig das anzustrebende Ziel der Invalidenfürsorge würde je erreichen lassen als dies die Mili-
tärverwaltung für sich allein würde zu leisten im Stande sein“ ; AT-OeStA/AdR BMfsV Kb, Kt. 1360,
12089/1918, S. 4.
52 Ebd., Kt. 1356, 1244/1918.
53 Erlass des KM v. 8.6.1915, in : K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1915, S. 6–11.
54 Darunter fiel auch die Übernahme von Unterstützungsbeiträgen – im Wege eines normierten Ver-
pflegungsentgeltes – für solche Kriegsbeschädigte, die in nicht-militärischen Anstalten untergebracht
waren.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Wundes des Staates
- Subtitle
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Authors
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Nach 1918