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4 Invalidenschulung
„Invalidenschulung“ war das Zauberwort der sozialen Kriegsbeschädigtenfürsorge im
Ersten Weltkrieg. Wie vom Einsatz der Prothesen wurde auch von der Invaliden-
schulung behauptet, bei der Rückführung von Kriegsbeschädigten in das zivile Leben
wahre Wunder vollbringen zu können. Mit Ausnahme vielleicht Großbritanniens, wo
die Schulung von Kriegsbeschädigten in größerem Stil erst nach dem Krieg einsetzte,
war die Situation in allen Krieg führenden Ländern seit Beginn des Krieges und seit
klar war, dass dieser Konflikt mehr Kriegsbeschädigte hinterlassen würde als jeder an-
dere zuvor, dieselbe : Invalidenschulung wurde groß geschrieben.1 Auch in Österreich
waren die Publikationen der Kriegszeit voll mit Darstellungen der verschiedensten
Schulungen. Die in der Invalidenfürsorge tätigen Personen wurden nicht müde, die be-
sondere Bedeutung der Invalidenschulung für die berufliche und soziale Reintegration
der Kriegsbeschädigten hervorzuheben. Die einzelnen Landeskommissionen überbo-
ten einander in der Aufzählung der in ihrem Wirkungskreis veranstalteten Invaliden-
kurse.2 Das Ministerium des Innern sammelte Informationen über die Erfahrungen,
die auf diesem Gebiet im Ausland gemacht wurden.3 Ausstellungen demonstrierten
die Leistungsfähigkeit der Kriegsinvaliden.4 Behörden wie Medien propagierten die
Beschäftigung von Kriegsbeschädigten und hoben die durch moderne Chirurgie und
Technik enorm gesteigerte Einsetzbarkeit der verletzten Männer hervor.5 Und die
sentimentalsten Berichte über Kriegsbeschädigte, die trotz anfänglicher Depressio-
1 Siehe Deborah Cohen, Will to Work. Disabled Veterans in Britain and Germany after the First World
War, in : David A. Gerber (Hg.), Disabled Veterans in History, Ann Arbor, Mich. 2000, S.
295–321, hier
S. 298.
2 Vgl. vor allem die in den Mitteilungen des Ministeriums publizierten Kurs- und Schulungsmaßnahmen,
ab : K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen über Fürsorge für Kriegsbeschädigte, Wien 1915.
3 Z. B. K.k. Ministerium für soziale Fürsorge, Mitteilungen über Fürsorge für Kriegsbeschädigte, Wien
1918, S. 228 ; AT-OeStA/AdR BMfsV Kb, Kt. 1356, 1885/1918, 1886/1918 und 1899/1918. Es gab
Überlegungen zu einer eigenen – von offizieller Seite geförderten – Publikation nach dem deutschem
Vorbild : Felix Krais (Hg.), Die Verwendungsmöglichkeiten der Kriegsbeschädigten in der Industrie, im
Gewerbe, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und Staatsbetrieben, Stuttgart 1916 ; AT-OeStA/AdR
BMfsV Kb, Kt. 1357, 2067/1918.
4 Vgl. etwa die im Juni 1917 im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wien veranstaltete
Ausstellung der gewerblichen Invalidenschulen, an der sich angeblich insgesamt 70 Einzelanstalten be-
teiligten ; Denkschrift über die von der k. k. Regierung aus Anlaß des Krieges getroffenen Maßnahmen,
Bd. 4 : Juni 1916 bis Juni 1917, Wien 1918, S. 264.
5 Z. B. MdI v. 28.7.1915, in : K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1915, S. 51.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Wundes des Staates
- Subtitle
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Authors
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Nach 1918