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115Ausbau
von Heilstätten und Arbeitstherapie
Für die Steiermark übernahm beispielsweise das Vereinsreservespital vom Roten
Kreuz in der Theodor Körner-Straße in Graz die Funktion eines solchen Zentralspitals.
Es war aus dem erst kurz nach Kriegsbeginn fertig gestellten orthopädisch-chirurgi-
schen Spital der Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt für die Steiermark und Kärn-
ten hervorgegangen und wurde nun zum Stammhaus der steirischen Heilfürsorge für
Kriegsverletzte. Die orthopädische Nachbehandlung verletzter Soldaten sah man in
diesem modernen Spital am besten aufgehoben.11 Durch Einbeziehung der in der un-
mittelbaren Nachbarschaft gelegenen Lehrerbildungsanstalt als „Erweiterungsspital“12
erhöhte die Landeskommission die Kapazität schon 1915 auf insgesamt 300 Betten.
Im Erweiterungsspital wurden – in einer zunächst noch ganz provisorischen Weise
und unter dem Titel „Arbeitstherapie“ – auch die ersten Versuche der Schulung von
Invaliden unternommen.13 Durch die Angliederung weiterer Heilanstalten an dieses
Stammhaus standen der Landeskommission in der Steiermark Ende 1915 insgesamt
800 Betten zur Verfügung. Hinzu kamen etwa noch einmal so viele für Tbc-Kranke.14
Für Niederösterreich kristallisierte sich innerhalb kürzester Zeit das Reservespital
Nr. 11 in Wien als Zentralspital heraus
– auch dieses wegen „seine[r] großartigen Ein-
richtungen für die orthopädische Nachbehandlung“.15 Und wie in Graz wurde auch
in Wien dieses Zentralspital zum Mittelpunkt der Invalidenschulung.16 Die Funktion
der Sammelstelle für Tbc-Kranke übernahm in Wien das Reservespital Nr. 19.17 Was
die Behandlung dieser Kranken anbelangte, musste „durch Einrichtung und Adap-
tierung bereits bestehender, auf dem Lande in Niederösterreich klimatisch günstig
gelegener, mit Liegehallen und den erforderlichen sonstigen Behelfen ausgestattete[r]
Rekonvaleszentenheime“18 improvisiert werden, weil es an Lungenheilstätten in gro-
ßem Stil mangelte. Diese kleinen ländlichen Erholungsheime, die oft nur 30 bis 50
Betten fassten, waren über ganz Niederösterreich verstreut und boten 1915 zusammen
Platz für etwa 500 Personen.19
11 K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen über Fürsorge für Kriegsbeschädigte, Wien 1916, S. 180.
12 Ebd., S. 183. Das Grundspital war auf 60 Betten angelegt gewesen, bei seiner Eröffnung als Verwunde-
tenspital waren aber bereits 100 Betten aufgestellt.
13 Das Spital richtete neben anderen Werkstätten auch eine hausinterne Prothesenwerkstätte ein, in der nur
Kriegsbeschädigte beschäftigt wurden.
14 Zur Sammelstelle für die Tbc-Kranken bestimmte das Militärkommando Graz mit dem Reservespital
Nr. 3 in Eggenberg ein neues, damals erst teilweise belegtes Barackenspital.
15 K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1916, S. 160.
16 Vgl. dazu Kapitel 4.2.
17 AT-OeStA/AdR BMfsV Kb, Kt. 1360, 11941/1918, S.
10. Sammelstelle für die übrigen intern Erkrank-
ten war seit November 1916 das Reservespital Nr. 10 ; ebd., S. 6.
18 K.k. Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1916, S. 161.
19 Im Jahresbericht der niederösterreichischen Landeskommission für das Jahr 1917 ist dann von nur ge-
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Wundes des Staates
- Subtitle
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Authors
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Nach 1918