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Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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119Exkurs : Schulung in der Invalidenstadt freundlichen Anblick“.31 Über 1.000, zeitweise 2.00032 Kriegsbeschädigte lebten und arbeiteten hier. Alle Sprachen der Monarchie wurden gesprochen. Ein eigener Stra- ßenbahnzug verkehrte viermal täglich zwischen dem Stammhaus und dieser Anlage, die schon von Zeitgenossen als „Invaliden-“33 und „Barackenstadt“34 bezeichnet wurde. Und tatsächlich war es eine Stadt für sich oder  – folgt man der Terminologie man- cher Beschreibungen  – ein Betrieb für sich : eine fabriksmäßige Anlage, die nach dem Muster großer Industriebetriebe an der Wiederherstellung von Kriegsbeschädigten arbeitete und aus verwundeten Soldaten erwerbsfähige Zivilisten machen sollte. Da- rüber, wie dies am besten zu bewerkstelligen sei, hatte Spitzy, der sein Unternehmen publizistisch gut vermarktete35 und auch in der Akquirierung von Mitteln aus Kreisen des Adels und der Großindustrie sehr erfolgreich war,36 klare Vorstellungen. Die Kon- zentration der orthopädischen Nachbehandlung, der Arbeitstherapie und der Schu- lung in einer Einrichtung war sein Plan gewesen. Für Hans Spitzy waren diese drei Bereiche, wie er bei einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Krüppelfürsorge Anfang Februar 1916 in Berlin ausführte, „ein untrennbares Ganzes […], von dem jeder Teil dem anderen unentbehrlich ist und jeder Teil wieder in seiner Lebensbetätigung die unbedingte Grundlage des anderen bildet“.37 Grundsätzlich sprach er auch der Groß- anstalt das Wort. Dezentralisierung war seiner Meinung nach nur eine Zersplitterung wertvoller Arbeitskraft, effiziente Ausnützung der vorhandenen personellen Ressour- cen durch weitgehende Arbeitsteilung aber war sein erklärtes Ziel. Was hier entstand, war also ein modernes, geradezu tayloristisch organisiertes Unternehmen. Ein solches Unterfangen verlangte  – ganz der militärischen Logik folgend  – eine straffe Organisation und konnte wohl auch nur deshalb so gut gelingen, weil die Patienten der Anstalt in den allermeisten Fällen noch Angehörige der Armee und der militärischen Befehlsgewalt unterworfen waren. Man darf nicht vergessen, dass es sich bei den Invalidenschulen in Wien-Favoriten  – auch wenn die pädagogische 31 Spitzy, Orthopädisches Spital, S.  116. 32 Dorn, Heimatbuch, S.  134f, zit. in : Mooshammer/Mörtenböck, Schleierbaracken, S.  7f. 33 Pokorny, Arbeitstherapie, S.  79. 34 Spitzy, Arbeitstherapie, S.  1. 35 Siehe vor allem Spitzy, Organisation. 36 Siehe vor allem Pokorny, Arbeitstherapie, S.  79. Neben Drasche-Wartinberg, der den Grund für die Invalidenschulen günstig verpachtete und in Ebreichsdorf ein landwirtschaftliches Gut zur Verfügung stellte, unterstellten auch Clarissa von Rothschild und Helene von May ihr kleines Rekonvaleszenten- heim in Ober St. Veit dem Reservespital. Prinzessin Croy spendete diverse Werkstätten. Die teuren mechanischen Betriebe wurden vor allem von Großindustriellen gespendet. 37 Spitzy, Organisation, S.  3 und S.  12. Es greife „ein Rad in das andere und man kann sich leicht vorstellen, dass nur eine bis in die Einzelheiten durchdachte und festgezogene Organisation imstande ist, diesen Schulbetrieb zusammenzuhalten“, ebd., S.  10f.
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die Wundes des Staates
Subtitle
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Authors
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2015
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
586
Categories
Geschichte Nach 1918
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