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Hlldsbnrg — Maria Antonia 3? Sabsburg — Maria Antonia
rhetorischen Spiegelfechtereien die Schuld
der Königin herzustellen. Die Geschworn
nen sprachen das „Schuldig" aus, und
ohne Aufenthalt wurde der Königin das
Todesurtheil verkündigt. Es war um
halb vier Uhr Morgens nach 18stündiger
Sitzung. Die Königin wurde in die Con«
ciergerie zurückgeführt. Ihre Bitte, die
Kinder nochmal zu sehen, wurde ihr
abgeschlagen. Um 3 Uhr Morgens wurde
in allen Sectionen Generalmarsch geschla-
gen, um 6 Uhr stand schon Alles unter
den Waffen. Geladenes Geschütz mit bren«
nenden Lunten war an allen Haupt»
puncten aufgestellt. So groß war die
Schuld der Witwe Capet's, daß man
solche Vorkehrungen für ihre Hinrichtung
treffen mußte (!). Die wenigen Stunden,
welche Mar ia Anto inerte noch im
Kerker zubrachte, benutzte sie, um jenen
denkwürdigen Brief an ihre Schwägerin
Elisabeth zuschreiben, der nie an seine
Adresse gelangte, sondern erst 23 Jahre
später in die Oeffentlichkeit kam. Der
Brief wurde nämlich an Robespierre
abgegeben, und kam nach dessen Sturz
in Besitz des Deputirten Courtois, der
als Königsmörder durch die bekannte
königliche Ordonnanz vom 12. Jänner
1816 aus Frankreich verbannt wurde,
sich nach Brüssel zurückzog, und daselbst
noch im December desselben Jahres starb.
Unter dessen Papieren wurde Maria
Antoinettens Brief gefunden. Um
11 Uhr Vormittags, am 16. October,
öffneten sich die Pforten des Gefängnisses,
und mit auf den Rücken gebundenen
Händen bestieg sie den Henkerkarren.
Eine Stunde dauerte der Zug. Bemerkt
wurde, daß die Schmähungen und Ver-
wünschungen, welche dem Schlachtopfer
zugerufen wurden, nicht aus der Hefe des
Pöbels, sondern aus den ehemals privi-
legirten Ständen kamen. Um ^ auf Zwölf fiel das Beil der Guillotine und
endete das Leben einer Fürstin, welche
mit seltenen geistigen und körperlichen
Vorzügen viele Tugenden vereinte, und
die, wenn sie Gott weiß was verschuldet
hätte, durch ein Uebermaß von Leiden,
jeden auch noch so großen Fehler ihres
Lebens vielfach abgebüßt haben würde.
Wir schließen diese traurige Lebens» oder
vielmehr Leidensskizze der königlichen
Märtyrin mit dem Porträte, welches ein
Franzose von ihr entwirft. Lamartine
schreibt: „Ihr erstes Erscheinen blendete
den Hof und ganz Frankreich. Sie war
damals 16 Jahre alt. Ihre Schönheit
verdunkelte die der Madame du Barry,
der Favoritin Ludw ig 's XV. Die
Schönheit der du Barry war die einer
Buhlerin, die Schönheit der Mar ia
Antoinette war die Schönheit einer
Prinzessin. Die Natur hatte sie mit allen
Gaben reichlich geschmückt, welche sie als
Weib zum Gegenstande der Bewunde«
rung machten, und als Königin zum
Gegenstande tiefster Verehrung. Sie war
hoch gewachsen, ihre Bewegungen waren
jchwanenähnlich, bei ihrer Eleganz ging
nichts von ihrer Majestät verloren. Ihr
Haar war blond und seidenartig, und
erinnerte den Betrachter an Titians
wogende Locken. Von hoher Ovalform
war die Stirne, wie jene der schönen
Töchter von der Donau; die Augen
himmelblau, worin die Stille und der
Sturm der Seele den Blick abwechselnd
schlafen oder Wellen schlagen ließen; die
Nase ein klein wenig gebogen, der Mund
österreichisch, der ihrer Familie, d. h.
ein Gemisch von Stolz und Lächeln, das
Kinn aufwärts gebogen. Ihre Farbe
ward erhöht durch das kalte Klima des
Nordens, und eine unwiderstehliche Grazie
war wie ein jugendlicher Duft über alle
ihre Züge ausgegossen."
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Habsburg-Hartlieb, Volume 7
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Habsburg-Hartlieb
- Volume
- 7
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1861
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 472
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon