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Daydn Joseph Daydtt Joseph
Adel und einigen Kunstfreunden Wiens —
welch' ein Adel, welcheKunstmäcene Wiens
damals! — die Aufführung der „Schi)-
' pfung" in Gegenwart Haydn's veran-
staltet wurde. Haydn wurde in einer
Sänfte in den Saal gebracht, und mußte,
um sich ja nicht zu erkälten, den Hut auf
dem Kopfe behalten, wahrend die ganze
Versammlung entblößten Hauptes war.
Huldigungsgedichte von Carpani und
Colt in wurden vorgetragen, die Rüh«
rung Haydn 's aber steigerte sich so sehr,
daß er schon nach der ersten Abtheilung
den Saal verlassen und nach Hause ge-.
bracht werden mußte. Nur Ein Jahr, zwei
. Monate und einige Tage überlebte H.
seine Apotheose. Als am 40. Mai 1809
die Franzosen vor die Mariahilfer Linie
rückten, erschreckten ihn, als er früh eben
aufstand und angekleidet wurde, vier
Kanonenschüsse, welche unweit seiner
Wohnung fielen und Fenster und Thüren
seines Hauses erschütterten, so sehr, daß er
zusammenbrach und sein ganzer Körper in
ein convulsivisches Zittern verfiel. Von
dieser Stunde wichen zusehends seine
physischen Kräfte; am 26. Mai spielte er
noch sein Lieblingslied „dieVolkshymne"
dreimal hintereinander mit einem Aus-
drucke, über den er sich selbst wunderte,
aber noch am Abende desselben Tages
verschlimmerte sich sein Zustand bedeu-
tend, nach und nach verfiel er in eine
gänzliche Entkräftung und schmerzlose
Betäubung, und indem er am 31. Mai
Morgens um 1 Uhr noch einige Zeichen
von Bewußtsein und Empfindung gab,
entschlief er wenige Minuten nachher eines
sanften Todes und kehrte seine Seele in
jene Raume zurück, aus denen
sie sich
für
die Dauer seines Lebens in die Hülle sei»
nes Körpers begeben hatte. Haydn war
Einmal, aber unglücklich verheirathet.
Von zwei Töchtern des Friseurs Keller in Wien liebte er die ältere, die jedoch
Nonne wurde, und da ihn Gefühle der
Dankbarkeit für in der Jugend empfan-
gene Wohlthaten an das Haus fesselten,
ließ er sich vom Vater die jüngere auf»
dringen und gewann mit ihr ein böses,
zanksüchtiges, verschwenderisches und dazu
in späteren Jahren bigottes Weib, welches
ihm sein ganzes Leben verbitterte, denn
sie starb erst im Sommer 1800 zu Baden,
nachdem er sie bereits um 1739 geheira«
thet und sie ihn also volle 4 Decennien
gequält hatte. Nur das sanfte Tempera«
ment und der Genius der Kunst, der ihn
ganz erfüllte, ließ H. das traurige Los
seiner schlimmen Ehe mit einem Gleich«
muthe ertragen, der noch dadurch erhöht
wurde, daß diese Ehe kinderlos geblieben
war. Haydn als Mensch ist vielfach ge°
schildert, aber von allen Biographen und
sonstigen Berichterstattern einstimmig als
trefflicher Mensch bezeichnet worden. Von
Natur aus heiter, zum Scherze gestimmt,
sprach sich diese geistige Richtung vielfach
in seinen Compositionen aus, deren
originel ler musikalischer Witz
seine Wirkung auf den Zuhörer nie ver«
fehlt. Frömmigkeit war ein Grundzug
seines Charakters, und, ohne ein Fromm-
ler zu sein, ging er darin so weit, daß er
alle seine größeren Partituren mit den
Worten: In iwmino Domini begann und
mit: I^auL Vso oder 8o1i Oeo Floria.
schloß. Auf das Innigste von der Ueber»
zeugung durchdrungen, daß alle mensch«
lichen Schicksale unter der leitenden Hand
Gottes stehen, suchte er oft im Gebete,
wenn ihn der schöpferische Genius verlas«
sen hatte, Kraft, und so sagte er oft selbst:
„Wenn es mit dem Componiren nicht so
recht fort will, gehe ich im Zimmer auf
und ab, den Rosenkranz in der Hand,
bete einige Ave und dann kommen mir die
Ideen wieder". Diese echt poetische Innig«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hartmann-Heyser, Volume 8
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Hartmann-Heyser
- Volume
- 8
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1862
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon