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Aemöny 144 kemony
Neumarkt in die Rechtspraxis. Nun fand
er im Amte dieselben sonderbaren Rechts»
anschauungen, von denen der Landadel
seit Jahrhunderten großgesäugt worden,
und dort also, wo er eben das Bessere zu
finden vermeinte, zu seiner nicht geringen
Ueberraschung vielmehr das Schlimmste,
den eigentlichen Herd des Uebels und so
den nächsten Erklaruugsgrund für alle
im Landesrechte vorkommenden zahllosen
Unzukömmlichkeiten, die aber dort als Lan>
desrecht galten. Das spornte umsomehr
seinen Eifer, und bei seinem Sinnen, wie
diesen Uebelstanden zunächst abzuhelfen
sei, fand er, daß vor Allem die Kennt«
niß der alteren Geschichte Ungarns und
Siebenbürgens nothwendig sei, um durch
diese zu jener des ursprünglichen und
unverfälschten Rechtes zu gelangen. Auf
diesem Wege machte er sich nun mit den
alten Gesetzen des Landes vertraut, stu-
dirte das ungarische Staatsrecht von
seinen ursprünglichen Grundzügen bis zu
seiner allmäligen Entwickelung in der
Gegenwart und fand in der Wieder-
belebung deS fast erstorbenen oder doch
zur Unkenntlichkeit abgeblaßten Conftitu»
tionalismuö das Heilmittel, das er suchte.
Zugleich fand er — und das würde man
auch oft anderwärts finden — daß die
Rechtspraxis gerade den Gegensatz des
von den Gesetzen aufgestellten und ange»
ordneten Princips und Verfahrens bil>
dete. Man hatte es durch Formen und
Formeln, eigenmächtige Uebung und an»
gewöhnten Schlendrian dahin gebracht,
daß man die an sich klarste gar nicht
bestreitbare Sache so verwickelte und ver>
wirrte, daß weder Kläger, Beklagter!
noch Richter sie mehr auszugleichen im
Stande waren. Baron Dionys schlug
bei seinen Studien des ungarischen und
fiebenbürgischen Rechtes den praktischen
Weg ein und begann eine neue zur unmit- ^ telbaren Anwendung in der Praxis be-
stimmte Zusammenstellung der Gesetze
nach den verschiedenen Abzweigungen der
Verwaltung, wodurch er und jeder Rich«
ter sogleich in den Stand gesetzt wurden,
bei irgend einer noch so verwickelten
Streitfrage die Anordnungen der Regie»
rung, wie sie in den Jahren folgeweise
sich gehäuft, rasch und vollständig zu
überschauen. Dabei behielt er nur das
strenge, nämlich auf den verschiedenen
Landtagen der Jahrhunderte von den
Königen sanctionirte Gesetz im Auge,
Alles verwerfend, was sich im Laufe der
Zeit durch absichtlichen oder unabsicht«
lichen Mißbrauch eingeschlichen und so
den ursprünglichen Text des Gesetzes und
die Absicht des Gesetzgebers alterirt hatte.
Nach mehrjähriger und höchst mühevoller
Arbeit hatte er fein Werk zu Stande ge-
bracht und ging nun daran, damit es in
Fleisch und Blut zum Besten der Ver-
waltung und zum Frommen des Landes
übergehe, dessen Herausgabe vorzube-
reiten. Aber er stieß
an Hindernisse, welche
zu beseitigen in jener Zeit nicht in seiner
Macht lag. Seine Arbeit blieb ungedruckt,
und, die dem ganzen Lande einen großen
Nutzen gewährt hätte, eine freilich sehr
nutz« und folgenreicheStudie für ihn allein.
Jedoch während er diese gründlichen
Studien über das Recht des Vaterlandes
trieb, hatte er bereits auch die öffentliche
Laufbahn betreten und war aufComitats»
Versammlungen als tüchtiger Redner auf»
getreten, der, weil er aus Gründen, die
nach der vorangegangenen Darstellung
leicht begreiflich sind, zur Opposition hielt,
bald die allgemeine Aufmerksamkeit erregte
und vielseitige Theilnahme fand. Schon
im Jahre 1827 bildete er mit Nikolaus
Wesselänyi, Johann Böthlen und
Karl Szaß die Spitze der Opposition,
welche auf dem Landtage 1831 bereits
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Károlyi-Kiwisch, Volume 11
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Károlyi-Kiwisch
- Volume
- 11
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1864
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon