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Thema des Oi5 - moii. Concerts von
Ries. das am Morgen gespielt worden,
in seiner nicht eben leichten melodischen
Tonfolge treu und rein wiederholte, da
meinte denn der Vater, eine so unge-
wohnliche Begabung dürfe man nicht
durch längeres Brachliegenlaffen ver-
kümmern lassen. So begann denn mit
dem sechsjährigen Knaben der regel-
maßige Unterricht, wogegen freilich die
Mutter wieder eiferte, indem sie meinte,
so viel. als er einmal als Pfarrer von
der Musik zu kennen und zu wissen
braucht, lerne er immer noch und zeitig
genug. Indessen wurde dieser Unterricht
doch mehr spielend begonnen, Franz
sollte ja Theolog und nicht Tonkünstler
werden; als aber der Knabe die Anfangs-
gründe in überraschend kurzer Zeit hinter
sich hatte und allmälig sein Denken.
Thun. Treiben und Empfinden in Musik
aufging. da sah selbst der Vater besorgt
darein und begann für die Folgen, diesen
Flug mit dem Genius unternommen zu
haben, zu zittern. Ließ auch der Vater
— zur Freude der Mutter — im Unterrichte
nach, der Knabe ließ sich doch nicht
hemmen, und wahrend ihm so die Musik
Leben wurde und die geistigen Kräfte sich
sichtlich steigerten, nahmen die körpev
lichen ab. Der Knabe wurde so krank,
daß aller Musikunterricht eingestellt wer
den mußte. Als er nach langem Leiden
wieder genas und wieder zu seiner ge»
liebten Musik zurückkehrte, verdoppelte
sich sein Eifer, den wieder die Krankheit
brach. So war denn vom ersten Augen
blicke des Unterrichtes das Leben des
Knaben ein Kampf deS Geistes mit dem
Körper, in welchem der letztere nicht
selten zu unterliegen drohte und die Ge>
fahr einmal so weit gediehen war, daß
man schon den Sarg für daS dem Tode
unrettbar verfallene Kind bestellte. In- dessen wurde — um den Wünschen des
Kindes zu genügen — der Unterricht
spielend fortgesetzt, und schon der neun»
jährige Knabe hatte eine solche Vollen«
düng im Spiele erreicht, daß Musik»
reunde der Umgegend häusig nur aus
dem Grunde nach Raiding kamen, um
den kleinen Künstler, wie man ihn schon
damals allgemein nannte, zu hören. Auf
der Freunde Zureden mußte sich auch der
Knabe öffentlich hören lassen, und er trat.
kaum zehn Jahre, in einem Concerte zu
Oedenburg auf, wo sein Spiel Bewun»
derung erregte. Nun wurde auch ein
Concert in Preßburg gegeben und der
Knabe erntete nicht bloß den Beifall der
Menge, sondern auch der kunstverstän-
digen Magnaten Szapary, Apponyi ,
Erdödy, Amadö e u. A., die nun dem
Vater zuredeten, den Gedanken an die
geistliche Laufbahn des Knaben aufzu»
geben und ihn Künstler werden zu lassen.
So wohlthuend dem Vater auch diese
Ansichten erschienen, so wußte er doch,
daß die Leistungen des Knaben bisher
nur Regungen eines ungewöhnlichen
Talentes seien und daß eben ein solches
Talent mehr denn jedes andere der
gründlichen ernsten Schule bedürfe, zu
welcher ihm aber — dem armen Privat-
beamten — die Mittel fehlten. Auf das
Zureden der hohen Gönner verhehlte
ihnen der alte Liszt sein Bedenken nicht
und zeigte ihnen klar die Unmöglich»
keit. diesen Weg einzuschlagen, da er ja
seine, wenngleich kärgliche, aber die
Familie ernährende Stellung in Raiding
nicht aufgeben könne. Nun denn, ent>
gegneten die Magnaten Szapary und
Amadöe, so wollen wir dafür sorgen.
Auf sechs Jahre, langer kann der Unter»
richt nicht dauern, stellen wir die Mittel
bei. Sie geben ihre Stelle in Raiding
auf, gehen mit dem Knaben nach Wien,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Volume 15
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Leon-Lomeni
- Volume
- 15
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 499
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon