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nur in engeren Kreisen sich hingab. 3 iszt
wurde, um fich des bezeichnendsten Aus-
druckes zu bedienen, Improvisator am
Piano. I n der Virtuosität des Spiels mag
er — auch bisher von Niemand — aber
doch von einem Anderen erreicht werden.
Als Dichter der Töne, der sich zum Flügel
hinseht, nicht um Eingelerntes zu repro«
duciren, sondern um mit uns oder mit
sich selbst in Tönen zu reden, ohne eigent«
lich zu wiffen, welchen Flug seine Gcdan-
ken nehmen und wohin sie den verzückten
Hörer führen werden. steht er bisher
unerreicht da.— Während aber dieser gei>
siigeUmschwung in 3 is zt'sganzemWese:i
sich vollzog, traten die durch die Revo«
lution veränderten äußeren Verhältnisse
ihm bereits hie und da feindlich entgegen.
Die Presse, die ihn früher zum Gott
erhoben, zerrte nun am Menschen und
an seinen Werken. Daß er sich in seinen
freien Phantasien dann und wann an
einen Gedanken älterer Berühmtheiten
anlehnte, erklärte man für eigene Geistes«
armuth. Hatte man ihm früher gern und
willig das Bürgerrecht zugestanden, so
fand man nun einen Uebermuth ohne
Gleichen darin, daß ein Fremder, ein
Deutscher, gar ein Ungar, in Tönen eine
neue Welt erschaffen wolle. Eine folche
Absicht, wenn überhaupt durchführbar,
konnte, ja durfte nur von einem Fran-
zosen ausgehen! Man suchte alles hervor,
was die Oeffentlichkeit nichts anging, um
ihn von der Höhe, auf die er sich ge«
hoben, zu stürzen'. Seine Herzensneigun-
gen, seine religiöse Schwärmerei, endlich
seinen Muth. der ihn allen diesen Angrif-
fen Verachtung entgegenstellen hieß, alles
griff die Presse mit der nur ihr eigenen
Unverschämtheit und Beharrlichkeit an.
An seiner Mutter fand Liszt, dessen
Leidenschaftlichkeit damals manche harte
Probe bestand, in jenen Tagen einen Trost und eine Srühe, welche wahrhaftig
nur eine Mutter zu geben vermag. Dabei
hob er entschlossen den Handschuh auf, den
ihm die feile Dirne „Presse" hingeworfen
und warf ihr ihn nicht vor die Füße. fon-
dern in'S Gesicbt. Zunächst bemächtigte sich
des Künstlers der Gedanke, den Concert-
saal aufzugeben und sich dem Unterrichte
zu widmen, denn eine große Zahl von
Schülern aus den höchsten und reichsten
Häusern drängte sich zu ihm; dann
wieder wollte er Frankreich, ja den Con«
tinent verlassen und nach Nordamerika
überschiffen. Seine Liebe zur Unabhängig'
keit ließ ihn d^n ersten Plan verwerfen;
der Gedanke, seine wenngleich unabhan»
gig gestellte Mutter in Europa allein
zurückzulassen, sowie ein edleres Herzens»
bündniß. das schon seit längerer Zeit be>
stand, machte den zweiten scheitern, aber
Frankreich zu verlassen, dieser Entschluß
stand in ihm fest und zunächst war es die
Schweiz, wohin 3. seine Blicke lenkte.
Der Gedanke, schnell gefaßt, ward ebenso
schnell ausgeführt. — Genf wählte 3. zu
seinem neuen Aufenhalte. Bot schon die
Natur dort Reize ohne Gleichen, so fand
er dort auch franzosisches 3eben, an das
er sich doch sehr gewöhnt, und war wieder
Paris nahe genug, um seinen Angreifern
die auf ihn abgeschossenen Pfeile scharf
zugespitzt zurückzuwerfen. In Genf lebte
3. ganz zurückgezogen und Männer wie
Sismondi , de Candolle, Adolph
Pietet, Deodati , FürstBelgiojoso
bildeten seinen Umgang. Von Genf aus
unternahm er mit seinen Freunden dald
nähere, bald weitere Ausflüge in das
Innere der Schweiz, wo es vielfache An-
regung zum künstlerischen Schaffen gab.
In iene Zeit fallen seine „^nness cke
F6?s?-z')iaL6s") eine Folge von Tondich»
tungen, die vielleicht zu dem Schönsten
und Eigenthümlichsten gehört, das sein
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Volume 15
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Leon-Lomeni
- Volume
- 15
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 499
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon