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Loudon 87 London
VIl. Laudon's äußere Erscheinung und Charakte-
ristik als Mensch und Feldherr. Seiner auße
ren Erscheinung nach war L. von nuttlerer
Statur, gut gebaut, aber sehr hager, die
Stirne ziemlich hoch und stark gewölbt mit
stark hervorstehenden Augenbrauenknochen.
Die Haare in der Jugend röthlich, im höhe
ren Alter ganz weiß, pflegte er in einem
genadelt?« Toupet, zwei dünnen Seidenlocken
und einem hoch in den Nacken hinaufgebuw
denen Zöpfchen zu tragen. Die Augenbrauen
waren röthlich und buschicht. und standen
gerade aus dem Angesicdte weg, wenn L.
über Etwas angestrengt nachdachte oder wenn
das Feuer seines Geistes in hellen Flammen
aufloderte. Die Augen waren groß und lichte
grau und außer dem Zustande der Leiden
schaft, wo ein unbeschreibliches Feuer aus
ihnen strahlte, nicht bedeutend, wenigstens
nickt so. daß es gleich auf den ersten Blick
aufgefallen wäre. Die Nase war etwas erho
ben, die Wangen stark eingefallen, gleichwohl
das Kinn mehr rund als spitzig, das ganze
Gesicht etwas länglicht, die Farbe röthlich
braun, den Kopf im böheren Alter, wenn er
ging oder saß. immer etwas vorZeboaen, aber
ganz aufrecht. wenn er zu Pferde saß. Die
Physiognomie war, um so zu sagen, alb
spanisch, nach dem Gesichtsschnitte der
Helden Karl 's V.. eines Alba. FuenteS.
Mondragon. Etwas mehr wohlbeleibt,
würde er dem verschwiegenen Wi lhe lm
von Oranien, Gründer der bataoischen
Freiheit, geglichen haben, dem er überhaupt
in oielen einzelnen Zügen verglichen werden
mag, Der Ausdruck seines Gesichtes war
Ernst, Verschlossenheit. Nachdenken, Strenge.
Er hat nie gelacht und nur höchst selten
gelächelt und immer wenig gesprochen und
mit Bedacht, Gewöhnlich trug er die Uniform
seines Regiments Nr. 29. welches er im Jahre
1760 erhalten hatte, lichtblau und selten das
FeldluarsckallS'Gewand, zu Hause oder auf
dem Lande altmodische bürgerliche Kleidung.
— Sein Temperament war das cholerisch«
melancholische, das letztere herrschte vor.
wmn er ruhig war. das cholerische brach
hervor, wenn er handelte. Da wurde die
kalte unbewegte Seele plötzlich Wallung.
Sturm und Flamme, Kälte und Hitze.
Beoachtsamkeit und Raschhcit waren beide
in seinem Gemüthe, wie Wasser und Oel,
ohne sich zu vermischen. Loudon in einer
langweiligen Gesellschaft, Loudon in seinem
Garten arbeitend oder anordnend und von dort in den Staatsrath oder an die Spitze
des Heeres gerufen, wie Ab d ol onymus,
Cincinnat und Cur ius — und Loudon
mit gezogenem Degen, zu Pferde, vor der
Fronte, waren an Gesicht. Haltung und in
ihrem ganzen Thun so ganz verschieden wie
Cato und Achill. Er muß tief empfunden
haben, was er war und vermochte und
warum — und warum die andern nicht wie
er. Das brachte Geringschätzung und Haß
nicht der Menschen, aber der Menge in ihm
hervor. Wie sollte auch er, der Unergründ«
liche. mit den zahllosen hohen Gedanken
herumtändeln unter gewöhnlichen Convenienz-
menschen, wie unter hohlen Wachsfiguren,
die ihm eine Prise Tabak boten und ihn
von dem letzten Ballet unterhielten, wenn er
an Ueberflüglung dachte und an Sieg! Deß-
halb mußte man ihn (mußte er ja aus
Pflicht oder Anstand in großen Cirkeln er«
scheinen) hinter der Thüre oder in irgend
einem Winkel, oder auf der mindest beleuch»
tcten Stelle suchen. „Wo ist denn Loudon?"
fragte Theresia bei einem Hoffeste den
Herzog von Aremberg, der sehr treffend
antwortete: ^I<e voilä comiuo tou^ourg
äsri'isi'L 1a, porte, tout koutsux ä'avoil
:a,llt äo inerits. . ." Was von jeher alle
großen Generale bezeichnet hat und alle
großen Minister (die zwei sind wohl nicht so
verschieden, als die Meisten glauben; Feder
und Degen verwunden, beide nur in ver«
schiedener Weise), das bezeichnete vorzüglich
Loudon: Langsamkeit, Umsicht, Sorgfalt
im Entwurf und in der Prüfung, nieder«
werfende Rasckheit und Stärke im Verfolgen
und Vollbringen, und in diesem und jenem
Einfalt, die schwer zu betrügen und zu um<
stellen war, und Schlauheit, die lauert und
fängt. Seine Liebe zum Landleben, aber zum
stillen Landleben, erklärt sich sehr ungezwun»
gen aus jenen Grundzügen. Er konnte und
wollte nichts halb sein. Er, der im Felde
den Kriegsrock nie auszog, der Erste und
Letzte im Lager, der Vorderste in der Schlacht,
tausendäugig, unerbittlich, trat mit sachtem
Schritte in die Genlde des Friedens, vermied
die Kennzeichen kriegerischer Ehre, welche
andere eben im Frieden am meisten suchen
und hervorstellen und wählte die zurüclgezo»
genste unbeobachtetste Beschäftigung. So schläft
auch wchl der Löwe oder spielt an der
Sonne mit der Maus, aber wehe dem, der
ihn wecket oder reizet. — Seine Ueberlegen«
heit im Vorpostenkriege, seine Vorliebe für's
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Volume 16
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Londonia-Marlow
- Volume
- 16
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1867
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon