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Loudon
Erstürmen, seine Fertigkeit im Schießen und
Reiten, sein Commandowort, das die Ende
beider Flügel erschütterte, sein nagender
Schmerz, wenn ihm irgend ein großer Plan
nicht ganz, auch nicht ganz so gelang, wie
er sichs vorgesetzt hatte — daher sehr treffend
unter einem seiner Bildnisse die Worte
Lukan's stehen: XU kotum rsxutan», Zic^uid
5Up^ore2L(,'t a^encluin — die gehören zur
Schnelligkeit, zum Zerstören des Schädlichen,
des Widerstrebenden. Tie Leidenschaft für
das Schachspiel, die unverdrossene Einholung
militärischer Erziehung und Bildung, die ihm
nie zu Theil geworden, durch unausgesetztes
Studium, die Lust am Unterrichte seines
Neffen, die nichts verabsäumende strenqe
Ordnung und Pünktlichkeit im Dienste und
in seinem Hause — die gehören zur Beson»
nenheit, zum Aufbauen und Erhalten des
Nützlichen. Bei seiner natürlichen Genialität
that es ihm wenig Schaden, daß cr in
seiner Jugend wenig gelernt hatte. Bücher
und Schulunterricht hatten vielleicht seinen
Geist nur aufgehalten. Wenn die rasche
Uebung vorangeht und die kluge Theorie
nach der Hand noch emsig aufgefaßt wird,
so nimmt der Geist, durch die erstere ermun-
tert und gestärkt, nur im Wesentlichen auf.
bleibt frei von ihren Angeln, Widerhaken
und lähmenden Fußeisen und verhält sich im
Leben und Wirken zu dem, der mit der
Theorie angefangen hat, etwa so, wie der,
der eine fremde Sprache im fremden Zande
selbst zu lernen genöthigt ist. zu dem, der sie
zu Hause aus der Grammatik studiri — das
kann jedoch kein Trost sein für die, die nichts
lernen wollen; denn um dieses zu entbehren,
muß man geboren sein mit Loudon's Anla»
gen und wenn Loud on und Viele Großeü
gethan haben, ohne Wissenschaften, so kam
dieß wohl vorzüglich daher, weil nicht so
fast. die Fülle der Kenntnisse, als die Festig,
keit des Willens Wunder wirkt und weil
der Fall wohl nicht alltäglich ist, daß in
demselben Manne Verstand und Willen und
deren Ausbildung ganz gleichen Schritt mit
einander halten. Zu seiner hohen Besonnen«
heit gehört auch die Catonische Zucht und
Eingezogenheit. mit der er den Umgang mit
Weibern floh und überhaupt jede Ausschwei«
fung haßte, die ihm Geist oder Kraft hätte
schwächen und abziehen können von seinem
Einzigen. Das mag wohl sehr Vieles dazu
beigetragen haben, daß ihn Gesundheit und
Schnellkraft und Feuer bis an seinen Tod nicht verließen, ja, daß die Küdnheit und
Raschheit seiner Entwürfe mit den Jahren
stieg, statt mit denselben zu sinken. Seine
Thaten gingen meist unoerhindrrlich hervor
aus seinen Vorbereitungen. Wer überlegte,
auskundschaftete, anordnete wie er und voll»
zöge wie er, der müßte siegen wie er.
Glück ist wohl mehr im Wort als im
Begriff. Um aus vielen nur weniger seiner
großen Feldherrn-Eigcnschaften zu gedenken
— wer hat das Terrain unermüdeter er-
forscht, besser gekannt und benützt als er? —
„Das brauch' ich als Feld m a rschall".
sagte er» noch als Major, ohne Namen, ohne.
Geld, ohne Protektion, zu seiner Frau, die
über das ewig? Landkartenschauen ungeduldig
wurde. Auf jedem Spazierritt, auf jeDer Reise
bestieg er jeden Hü^el und überschaute und
beurtheilte die Gegend, und gedachte sich hier
seine Armee und drüben seine Feinde. So
schärfte er sein Auge zu jenen! entscheidenden
Scharfblicke, welcher vom Kubgrunde bei
Kuner5dorf herab in einein Augenblicke eine
gänzliche Niederlage in den vollständigsten
Sieg verwandeln'. Was er selbst nicht erfor«
schen konnte, erfuhr er durch zahlreiche Spione,
die er vorsichtig wählte, richtig und groß'
lnüthig und oft aus eiglliem Gelde bezahlte
und versorgte und selbst wenn sie in's Unglück
kamen und ihm nichts mrhr nützen konnten.
Den Charakter seiner Gegner zu studiren,
war ihm überaus wichtig, dazu keine Mühe
zu groß, keine Anekdote zu gering. Daher
errieth er oft ihre Pläne und vereitelte sie,
noch bevor sie zur Neife gediehen. Väterlich
sorgte er für die Bedürfnisse der Armee, nie
sie mit Kleinigkeiten plagend; er wollte. d.>ß
seine Soldaten muthig seien zum Großen,
nicht groß im Kleinen. Gerechtigkeit war sein
Hauptzug, wie er unerbittlich war gegen den
Schuldigen, so dankbar w^r er auch geg^n
den Gefährten seiner Sie^e, Alles liebte ihn,
aber es zitterte auch Alles vor ihm. I n seinen
Berichten vermißt man seinen Namen fast
durchgehcnov, aber er vergaß niemals die
gebührende Lobeserhebung auch des geringsten
Verdienstes. Nie man das gemeine Beste
einer schnöden Selbstsucht aufopfern, einen
Nebenbuhler auf deiw-Wege des Ruhmes im
Stiche lassen, außer dem Sieg noch andere
Absichten haben könne, das konnte äoudon
gar nicht begreifen. Seine Entsagung, sein
Dulden und Ausharren unter den russischen
Generalen, die Geduld, welche hier dieser
heftige Charakter an den Tag legte, daß er
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Volume 16
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Londonia-Marlow
- Volume
- 16
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1867
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon