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Metternich Wetternich
den Anlässen, die ihn emporbrachten, nur
das Werkzeug Anderer, eines Tal leyrand
und eines Fouchs. Auch Vorkämpfer des
Liberalismus sprachen ihn vom Vorwürfe
der Intrigue frei. „Oesterreich", sagte Heine
um 1830, „ist beständig ein offener und
loyaler Feind gewesen, der niemals, auch
nur augenblicklich, den Krieg abgeläugnet
oder unterbrochen hat. den er gegen den
Liberalismus führt; Metternich hat nie»
mals der Göttin der Freiheit den Hof ge-
macht, hat niemals in der Angst seines
Herzens den Demagogen gespielt." Gegen
den Vorwurf des Despotismus nahmen ihn
insbesondere seine Anhanger in Schutz.
Seine Politik, sagten sie, ist „offen und
gerecht"; die Stützen seiner Staatskunst sind
die „väterlich ' monarchischen Grundsätze";
nicht „Zwang und gewaltsames Durchgrei»
fen", nicht jenes „despotische Glücklichmachen'
wollen und jene Centralifirungswuth", wie
sie in Frankreich zur Zeit der „Republik
und noch mehr des Kaiserthums" geübt
worden, sondern „milde Nachsicht, Achtung
der Sitten und Gewohnheiten jedes Volkes",
der „nationalen Besonderheiten", im Gegen»
'satze zu dem russischen Princip der „Umfor»
mirung". Die ganze Persönlichkeit Metier»
nich's, sein Benehmen, die Art seiner Unter-
haltung war himmelweit davon entfernt,
den Eindruck eines Weltbehcrrschers oder
eines Tyrannen zu machen. Wer sich mit
solchem Vorurtheile ihm nahte, sah es alsbald
an seinem freundlich entgegenkommenden
Wesen, an seiner leutseligen Unbefangenheit
zerfließen, die selbst weit unter ihm Stehen»
den gegenüber nicht selten in Wort und
Geberde bis zu einer gewissen Vertraulichkeit
sich stimmte. Bis an die Schwelle des
Greisenalters war er in Wuchs und Gestalt,
in Blick und Bewegung eine regelrechte und
anmuthige Erscheinung, von mittlerer Statur
durchgängig Maß und Ziel. Die hohe ge»
wölbte Stirne, die hellen blauen Augen voll
Milde, die nur mäßig gebogene Nase, die
schönfälbigen, ebenso reichen als weichen und
sorgfältig geordneten Haare bildeten — wie
Hormayr sich ausdrückt — ein „zauber-
volles Ganzes". „Nur — setzte er hinzu —
um den höchst einladenden Mund spielte ein
halblächelnder, etwas sybaritischer, zugleich
listiger und lüsterner Zug." Auge und Mund
waren die Angeln, womit er die Gemüther
derer, die sich ihm naheten, ergründete und
fing. Durch die Schärfe seines Adlerblickes vermochte er in einem Momente das ganze
Wesen des ihm Entgegenkommenden bis in
das Innerste zu durchdringen, und durch
seine gewinnende Freundlichkeit wußte er das
Vertrauen, auch des Befangensten und selbst
des Mißtrauenden, nicht nur zu erwecken,
sondern bis zum offenen Ergüsse anzustacheln.
Eine Audienz bei ihm hatte stets etwas
Pikantes; in seinen Gesellschaften zeigte er
sich liebenswürdig und zuvorkommend, selbst
gegen Schriftsteller, vorausgesetzt, daß es
Ausländer oder Ausländerinen waren; denn
den einheimischen war, mit Ausnahme von
Hammer und Zodlitz, als Beamten der
Staatskanzlei, und vonMaj läth, als unga»
rischen Parlamentsredner, sein Salon so
ziemlich verschlossen. Seine diplomatischen
Abrndzirkel fanden in der Regel jeden Sonn-
tag nach dem Schauspiele Statt; sie waren
das Stelldichein des gesammten diplomati»
schcn Corps." — Varnhagen berichtet eine
im Jahre 1834 mit dem Fürsten stattgehabte
Unterredung, welche Varnhagen in ihrem
Kerne gleich am Abend desselben Tages, an
welchem sie stattgefunden, niedergeschrieben zu
haben vorgibt und in welcher Metternich
seine Stellung in der Politik folgendermaßen
präcisirte: „Ich habe in Geschäftssachen
keinen Haß und keine Vorliebe, sehe auf die
Sache und demnächst auf die Brauchbarkeit
der Menschen, die ich dabei zu verwenden
habe; wer redlich ringreift und das Werk
fördert, ist mir willkommen, sci er mir per-
sönlich bis dahin auch noch so sehr entgegen
gewesen oder in allgemeinen Ansichten von
mir verschieden. Nie habe ich Jemanden
als Person verfolgt, nur immer die Wirksam»
keit, die ich Gestreiten oder unterdrücken
mußte. Die Grundsätze, welche ich mir
von Anfang meiner Laufbahn gewählt,
haben sich mir in allen Lebens» und G»
schäfts-Erfahrungrn erprobt, und ich kann
sagen, daß seit 23 Jahren, die ich an der
Spitze dcö Cabinets stehe, mich nie Etwas
gereut hat." Nach einigen Zwischenworten
fuhr der Fürst Metternich fort: „Wo
Alles wankt und wechselt, ist vor Allem
nöthig, daß irgend Etwas beharre, wo das
Suchende sich anschließen, das Verirrte seine
Zuflucht finden könne. Dieß Beharrende bin
ich gewesen, hier hat alles Bedürftige seine
Anlehnung gehabt, hier hat das früher Feind»
lichste sich friedlich vereinigt. Es hat Zeiten
gegeben, wo Nußland, andere, wo Frankreich
mich hätte stürzen mögen; doch bald wandten
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Metastasio-Molitor, Volume 18
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Metastasio-Molitor
- Volume
- 18
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1868
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 522
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon