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Neuner Neuner
thatkräftigste Unterstützung. Dr. Neu-
ner wurde mm nicht zum Hofarzte,
sondern unmittelbar zum Leibarzte des
Sultans bestimmt, als welcher er selbst
zu dessen im Harem wohnenden Familie
oder zu den Großen deS Reiches nur auf
ausdrückliches Begehren des Großherrn
sich zu verfügen hatte, während bei den
übrigen Mitgliedern sieben Hofärzte den
Dienst versahen und abwechselnd Nacht»
wache hielten. Gleich nach feiner Ankunft
in Constantinopel wurde Neuner im
kaiserlichen Paläste einlogirt. später er-
hielt er zur größeren Bequemlichkeit in
der Nähe des Palastes ein ganzes Haus
zur Wohnung, welches ganz auf Kosten
des Großherrn bis auf die geringsten
Gegenstände reich und kostbar ausge«
stattet wurde. Ebenso stand ihm der
kaiserlicke Marftal zu Gebote. Alle neuen
Einrichtungen im Sanitätswesen wurden
ihm vorgelegt. Aber nichtsdestoweniger
war seine Situation eine ungemein heik«
liche. Außer dem Sultan und einigen
Wenigen von seiner Umgebung hatte er
den übrigen Hof und das Volk gegen sich.
Ein paar sehr glückliche Curen, die eine
an dem zweiten Secretär des Sultans,
die andere an der dritten Tochter des
Sultans H ad id sch e Sultane, die eben
vermalt werden sollte und sehr schwer
krank darnieder lag, befestigten ihn je-
doch noch mehr im Vertrauen desselben
und machten auch sonst seine Stellung
besser; selbst die türkischen Hofarzte, na«
mentlich deren Chef, die ihm mißtrauisch
und mit verstecktem Groll begegneten,
wurden nun zutraulicher und beugten sich
vor der Macht deS Wissens, welche der
Franke — so heißt jeder Nichttürke in
der Türkei — bekundete. Nun schritt N.,
aber mit aller Vorsicht, an die Reformen
im Spital« und Apoihekerwesen, von
denen namentlich letzteres sehr im Argen lag. Sein in'S Türkische übersetzter Plan
der MedicamenteN'Regie wurde dem
Kaiser vorgelegt und zugleich eine per»
manente Hof'SanitätScommisfion nie-
dergesetzt, welche über alles, waS das
Staats-Medicinalwesen betrifft, zu be-
rathen hatte. Die Anfange versprachen
bei Ausdauer und energischem Festhalten
an dem als gut Erkannten allmäligm
Erfolg. Da begann, etwa fünf Monate
nach Neuner's Anwesenheit in Con-
stantinopel, der Sultan zu kränkeln,
aber man hatte eS so einzurichten ge-
wußt, daß Neuner von dem hohen
Patienten ferngehalten wurde. Erst bis
der Sultan ausdrücklich nach ihm ver-
langte, kam er, aber bereits zu spät, vor
denselben und fand ihn in einem sehr
bedenklichen — da die Krankheit schon
weit vorgeschritten war. bereits unheil»
baren — Zustande. I n der That starb
auch Mahmud am 4. Juli 4839 im
Alter von 34 Jahren. Neuner hatte
schon früher. als er dem Großvezier
Chosrew Pascha mittheilte, .daß für
den Sultan keine Rettung mehr sei, um
seine Entlassung gebeten. Nach dem tür«
tischen Gesetze werden nach dem Ableben
des Sultans alle seine Leibarzte entlas«
sen. Dieß geschah auch dieses Mal. nur
Neuner blieb auf seinem Posten. Den
ihm bald darauf von Chosrew Pascha
gemachten Antrag, auch fernerhin zu
bleiben, lehnte N., dessen Eifer für eine
Sendung, durch die er Ruf und Vortheil
zu erringen hoffte, in ein persönliches
Interesse für den Sultan sich verwandelt
hatte, um so entschiedener ab, als eben
dieser Gegenstand seines persönlichen
Interesses ihm durch den Tod entrissen
worden. Am 12. August 1839 verließ
N. den Schauplatz seiner achtmonatlichen
Thätigkeit und kam Mitte September in
Wien an, wo er seine frühere Thätigkeit,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Volume 20
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Nabielak-Odelga
- Volume
- 20
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1869
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon