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rat der Medicin, wozu ihm eben nur
mehr eine Prüfung fehlte, zu erlangen,
um für alle Fälle — da ja doch das
mäßige Erbe nicht für alle Zeit vorhalten
könne — durch eine öffentliche Stellung sich
die Zukunft zu sichern. N. wollte nichts
davon wissen, und nur um seine Freunde
zu beschwichtigen, versprach er, in Würz-
bürg oder Heidelberg zu promoviren.
Vor Allem wollte er nun der Poesie
und nur ihr ausschließlich leben. Bisher
waren wenige Gedichte von ihm gedruckt
worden, das eine im Jahrgange 1828
des Wiener Taschenbuchs Aur o ra, be«
titelt: „Iugendträume" - „doch weh,
nun naht mit eisernschwerem Gange die
Wirklichkeit" . so hatte N. damals
ahnungsvoll geschrieben und wahrhaftig,
in allem, was nachher über ihn kam im
Leben, war der eisernschwere Schritt der
Wirklichkeit fühlbar; dieses Gedicht, das
erste gedruckte, trug seinen vollen Namen;
und das erste, das mit seinem Dichter-
namen Jen au. sinnig aus den beiden
Endsylben seines Ptädicates Streh.
lenau gebildet, erschien, hatte Anastasius
Grün an Karl Spindler für den von
Letzterem redigirten „Spiegel für Litera»
tur. Kunst und Musik" gesendet. N. berei«
tete nun eine Herausgabe seiner Gedichte
vor. Daran in Oesterreich zu denken,
erlaubten die damaligen sinnverwirrenden
Censurverhaltnisse nicht. Er beschloß also,
nach Stuttgart zu gehen. Gr sammelte
und sichtete mit allem Eifer, und als der
Juni l831 herankam, nahm er Abschied
von seinen Angehörigen und Freunden
und reiste nach Stuttgart', es war ein
Abschied für längere Zeit. welche einen
wichtigen, zum Theil noch zu erforschen-
den Abschnitt seines Lebens bildet. Am
9. August 1831 kam N.-in Stuttgart an
und nun begann ein Leben unter Freun«
den und Sangsgenossm, wie es ein Dichterherz wie das seine befriedigen
mußte. Bei und durch Gustav Schwab
lernte er sie alle, die damals die schwä«
bische Dichterschule bildeten, kennen, da
war der noch junge Gustav Pfitz er,
und Nhland, und Iustinus Kern er,
und Alexander Graf Würt temberg,
und dann Karl Mayer, dem man
die schöne Gedächtnißgabe; „Lenau's
Briefe an einen Freund" verdankt. Nnd
im Hause des Geheimrathes Hart-
mann, in welkem schon in früheren
Tagen Matthisson und Tieck und
Jean Paul und Rükert verkehrt
hatten, fand sich nun ein Kreis von
Poeten zusammen, in welchem Lenau
nicht zu letzten zählte. Nnd auch ein
Mädchen war dabei, ein Wesen voll An»
muth und Bescheidenheit, eine Meisterin
im Clavierspiel. Mit Entzücken horchte
N. den Tönen, wenn sie Beethoven's
„Adelaide" oder sonst ein classisches
Tonstück spielte. Ihr Bild war ihm tief
in die Seele gedrungen und raubte ihm
den Schlaf bei Nacht, und obgleich er
Erwiederung seiner Gefühle hoffen durfte,
beschloß er zu entsagen. Er fühlte in sich
selbst so wenig Glück, daß er Anderen
keines geben konnte, und dann war seine
eigene Lage noch so beschrankt und unge-
wiß, daß er ein Wesen, das er liebte, in
dieselbe nicht mithineinziehen durste. So
waren einige Monate vergangen, im
November 1831 begab er sich nach
Heidelberg, in der Absicht, im Frühlinge
des nächsten Jahres zu promovirsn.
Dieser Nebergang aus dem zerstreuungS«
reichen bewegten Leben in Stuttgart zu
dem gesammelten strengeren der Wissen«
schaft in Heidelberg mochte ihm im
Anbeginn wohl behagen, auf die Dauer
ertrug er es nicht, in der Einsamkeit
verfiel er in Schwermuth und in eine
gedrückte Seelenstimmung. Um aus der>
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Volume 20
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Nabielak-Odelga
- Volume
- 20
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1869
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon