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Knaben, der keim bedeutenden Geistes
anlagen zeigte, aber durch Fleiß, Sitt»
lichkeit und auffallende Sanftmuth sich
die Herzen gewann. Er erwarb durch
Singen und Unterrichtgeben sein spar»
liches Brot. Wenn dieß gethan war,
lebte er neben seinen Studien ein be»
schauliches Leben in einem Dachstübchen,
das er mit Heiligenbildern beklebte, „um
immer in der Gegenwart des himmlischen
Hofes zu wandeln; denn die Liebe zu
Jesus bereitete ihm", wie er selbst sagte,
„in den Stunden der Einsamkeit, Andacht
und abendlicher Stille paradiesisches Ver»
gnügen". Er vollendete zu Linz und
Wien die theologischen Studien und
wurde in ersterer Stadt im Jahre 1797
zum Priester geweiht. Die Schriften der
Mystiker fesselten ihn. Eine entsetzliche
Prüfung erwartete den schwärmerischen
Priester: er mußte den Buchhändler
Palm in Braunau zum Tode vorberei»
ten und demselben das Geleite zur
Richtstätte geben. Die Briefe, die er
an Palm's Witwe geschrieben, um
ihr des Gatten Schicksal mitzutheilen,
find die würdigsten Denkmale eines
frommen, tieferschütterten, menschlich
fühlenden Priesters. Sein Geist war
aber von dieser Zeit an schmerzlichst
ergriffen',,ihm war, als ob die sittliche
Welt auS den Fugen gehen, das allge>
meine Verderben hereinbrechen und so
eine neue Erlösung nothwendig machen
müsse. Vom Tode seiner innigstgelkbten
Mutter erzählte er, daß er ihm zwei
Tage- früher geoffenbart worden sei. In
seinen Wichten als Seelsorger war er
ein unermüdlich fleißiger Katechet in der
Schule, bei geringen Einkünften ein
Wohlthäter der Armen, aber im Beicht,
stuhle bis zur Härte streng. Immer mehr
bildete sich ein exstatischer Zustand in ihm
aus. Tr selbst, des Zimmermanns Sohn, hielt sich für einen „bevorzugten Gott",
für „die rechte Säule". Er exorcirte eine
in Kindesnöthen befindliche Magd, und
der von Elba zurückgekehrte Kaiser
wurde von ihm als der Antichrist be.
zeichnet. Pöschl wurde von Braunau
entfernt und nach Apfelwang im Deca-
nate Vöcklabruck im Innkreise Oberöster-
reichS versetzt. Als ein nach seiner Mei>
nung ungerecht Verfolgter setzte er hier
seine Lehren, sein mysteriöses Wirken
fort; sein ihm vorgesetzter Pfarrer selbst
nennt ihn „einen Heiligen, dem man
schreckliches Unrecht angethan"! er ver-,
gleicht ihn mit dem Namensbruder
Pöschl's, mit Thomas von Aquino.
„Die „neue Offenbarung", wie
er seine Lehre nannte, beruhet auf fol»
genden drei Hauptgrundsätzen: i ) Chr!»
stus wohnt im Herzm und thut alles,
was der von ihm regierte Mensch unter»
nimmt. 2) Den Reinen werden Offen»
barungen zu Theil, Erscheinungen Got>
tes und der Mutter Gottes: wer sich
nicht reinigen läßt, verwirkt die Ver»
dammniß.und den Tod, der ihn allein
wieder reinigen und des Himmels wü»
dig machen kann. 3) Die genaue, bis zur
Aufopferung deS Lebens hingebende Be»
obachtung dieser beiden Grundsätze ist
die unerläßliche Bedingung des Beste»
hens der neuen Offenbarung, wenn diese
nicht verloren und von den Juden ge»
Wonnen weiden soll, da Gott die Be»
kehrung dieses Volkes und die Aufrich»
tung einer jüdisch.katholischen Kirche be»
schloffen hat. — Immer mächtiger und tie»
feigehend war sein Einfluß auf die Dorf»
bevölkerungen, welchen er predigte und
ein sogenanntes „Herzbüchlein" zu lesen
gab, das von einem Johann Gaßner
verfaßt, im Jahre i732 gedruckt und
dem Füistbischofzu Würzbmg gewidmet,
einen „christlichen Sittenspiegel bot, in
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Podlaha-Prokesch, Volume 23
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Podlaha-Prokesch
- Volume
- 23
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon