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welchem jeder heilsbegierige Christen-
mensch sich ersehen, den Stand seine
Seele erkennen kann". Zehn Kupferstiche
jeder ein Herz darstellend, auf dem ein
Angesicht erscheint, zeigen im Innern den
Teufel, die TodsĂŒnden, Marterwerkzeug
u. dgl. Ein fanatisches, im Jahre 18</.
von der bayerischen Regierung auĂer
Curs gesetztes Buch. Plötzlich sagte eine
vierzigjÀhrige Frau von unbescholtenem
Rufe, die KrÀmerin Magdalena Sickin
ger in Apfelwang, die Tochter eines
kurtrier'schen Hofrathes, aus, daĂ ihr
Jesus in ihrem Heizen erschienen sei und
ihr geoffenbart habe: âDie Christen seien
sehr verderbt und wenn nicht Besserung
erfolge, wĂŒrden sie vertilgt werden. Die
Juden seien noch die besseren Menschen!
man muffe trachten, sie zu bekehren und
statt der untergehenden christlich'katholi'
schen eine jĂŒdisch'katholische Kirche zu
grĂŒnden. Der Anfang dieser Iudenbe.
kehrung sei in Böhmen zu machen,
Pöschl wer.de dann seine Heerde ĂŒber
Prag nach Jerusalem fĂŒhren, wo er nach
drei Jahren gekreuzigt werden wird."
Es war dieĂ die erste Offenbarung, die
am 20. MĂ€rz 1813 der Magdalena
Sickinger wurde, der bis zum MĂ€rz
1814 noch viele andere voll biblischer
Einfalt und phantastischer Erhabenheit
folgten und von Pöschl genau aufge»
zeichnet und verbreitet wurden; sie stei>
gerten sich bis zu AuSsprĂŒchen: âEr
(Pöschl) sei ein Sohn, ein Liebling
Gottes". Seine AnhÀnger fingen zu
glauben an, daĂ er Wunder wirken
könne. Immer gröĂer wurde die Zahl sei«
ner Freunde und der Frauen, die,an ihn
glaubten. Er fanatifirte nicht allein von
der Kanzel, im Beichtstuhle, bei nacht»
lichen Andachten, er schrieb auch, um in
die Feme zu wirken, prophetische Worte
in Versen nieder, welche an die mystische !4 Pöschl
Gedankentiefe des AngeluS Si lesius
erinnern. Die Bewegung sing unter dem
Landvolke an und theilte sich immer
weiteren Kreisen mit. Die Regierung
wurde auf Pöschl's Thun und Reden
aufmerksam und lieĂ ihn nach Salzburg
in's Priesterhaus bringen. Gs geschah
dieĂ am 27. MĂ€rz 1814. Sein Verkehr ,
mit den Seinen erlitt aber dadurch kaum
eine Unterbrechung, er schrieb und
fanatisirte sie, selbst, als ei in'S
Kloster von St. Peter gesteckt, und
weil er sogar hier GlĂ€ubige fĂŒr seine
Lehre fand, als er in Polizeigewahr»
sam gebracht worden war. Die Secte
hatte jetzt die Weihe des MĂ€rtyrerthums
durch ihren Meister, der seinen GlÀubigen
schrieb: âdas Ende sei' nahe". ZĂŒgellos
walteten nun die befreiten Elemente. Es
tauchten âHĂ€upter" empor und weibliche
Propheten, welche âMutter GotteS" ge>
nannt wurden, unter ihnen auch die
obengenannte Magdalena Sickinger.
Die bedeutendsten waren die Bauern
Joseph Haas, Joseph Seyringer
und ein Schmied Topherl , welch letz'
terer in frĂŒherer Zeit wahnsinnig und
jetzt ein feuersprĂŒhender Prediger war.
âEs ist keine Zeit mehr, es naht daS
Gericht. Es muffen Opfer gebracht wer«
den, die nach drei Tagen wieder aufer»
stehen." Allgemeine BuĂĂŒbungen fanden
unter den âBetenden BrĂŒdern", wie sie
allgemein genannt wurden, statt; Reini>
gungen durch Kasteiung und BĂ€der.
Viele verbrannten ihr Hab und Gut,
hren Schmuck und ihre Kleider. Der
3l1. MĂ€rz war der vorausgesagte Tag.
Viele verlieĂen die HĂŒtten: MĂŒtter mit
ihren SĂ€uglingen. Greise irrten, ohne zu
wissen wohin, durch die eiskalte Nacht,
denn âder Herr werde sie fĂŒhren". Viele
hatte man spÀter als Leichen erstarrt
gefunden. I n der Nacht vom 30. au>
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Podlaha-Prokesch, Volume 23
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Podlaha-Prokesch
- Volume
- 23
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der UniversitÀts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon