Seite - 21 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Podlaha-Prokesch, Band 23
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welchem jeder heilsbegierige Christen-
mensch sich ersehen, den Stand seine
Seele erkennen kann". Zehn Kupferstiche
jeder ein Herz darstellend, auf dem ein
Angesicht erscheint, zeigen im Innern den
Teufel, die Todsünden, Marterwerkzeug
u. dgl. Ein fanatisches, im Jahre 18</.
von der bayerischen Regierung außer
Curs gesetztes Buch. Plötzlich sagte eine
vierzigjährige Frau von unbescholtenem
Rufe, die Krämerin Magdalena Sickin
ger in Apfelwang, die Tochter eines
kurtrier'schen Hofrathes, aus, daß ihr
Jesus in ihrem Heizen erschienen sei und
ihr geoffenbart habe: „Die Christen seien
sehr verderbt und wenn nicht Besserung
erfolge, würden sie vertilgt werden. Die
Juden seien noch die besseren Menschen!
man muffe trachten, sie zu bekehren und
statt der untergehenden christlich'katholi'
schen eine jüdisch'katholische Kirche zu
gründen. Der Anfang dieser Iudenbe.
kehrung sei in Böhmen zu machen,
Pöschl wer.de dann seine Heerde über
Prag nach Jerusalem führen, wo er nach
drei Jahren gekreuzigt werden wird."
Es war dieß die erste Offenbarung, die
am 20. März 1813 der Magdalena
Sickinger wurde, der bis zum März
1814 noch viele andere voll biblischer
Einfalt und phantastischer Erhabenheit
folgten und von Pöschl genau aufge»
zeichnet und verbreitet wurden; sie stei>
gerten sich bis zu AuSsprüchen: „Er
(Pöschl) sei ein Sohn, ein Liebling
Gottes". Seine Anhänger fingen zu
glauben an, daß er Wunder wirken
könne. Immer größer wurde die Zahl sei«
ner Freunde und der Frauen, die,an ihn
glaubten. Er fanatifirte nicht allein von
der Kanzel, im Beichtstuhle, bei nacht»
lichen Andachten, er schrieb auch, um in
die Feme zu wirken, prophetische Worte
in Versen nieder, welche an die mystische !4 Pöschl
Gedankentiefe des AngeluS Si lesius
erinnern. Die Bewegung sing unter dem
Landvolke an und theilte sich immer
weiteren Kreisen mit. Die Regierung
wurde auf Pöschl's Thun und Reden
aufmerksam und ließ ihn nach Salzburg
in's Priesterhaus bringen. Gs geschah
dieß am 27. März 1814. Sein Verkehr ,
mit den Seinen erlitt aber dadurch kaum
eine Unterbrechung, er schrieb und
fanatisirte sie, selbst, als ei in'S
Kloster von St. Peter gesteckt, und
weil er sogar hier Gläubige für seine
Lehre fand, als er in Polizeigewahr»
sam gebracht worden war. Die Secte
hatte jetzt die Weihe des Märtyrerthums
durch ihren Meister, der seinen Gläubigen
schrieb: „das Ende sei' nahe". Zügellos
walteten nun die befreiten Elemente. Es
tauchten „Häupter" empor und weibliche
Propheten, welche „Mutter GotteS" ge>
nannt wurden, unter ihnen auch die
obengenannte Magdalena Sickinger.
Die bedeutendsten waren die Bauern
Joseph Haas, Joseph Seyringer
und ein Schmied Topherl , welch letz'
terer in früherer Zeit wahnsinnig und
jetzt ein feuersprühender Prediger war.
„Es ist keine Zeit mehr, es naht daS
Gericht. Es muffen Opfer gebracht wer«
den, die nach drei Tagen wieder aufer»
stehen." Allgemeine Bußübungen fanden
unter den „Betenden Brüdern", wie sie
allgemein genannt wurden, statt; Reini>
gungen durch Kasteiung und Bäder.
Viele verbrannten ihr Hab und Gut,
hren Schmuck und ihre Kleider. Der
3l1. März war der vorausgesagte Tag.
Viele verließen die Hütten: Mütter mit
ihren Säuglingen. Greise irrten, ohne zu
wissen wohin, durch die eiskalte Nacht,
denn „der Herr werde sie führen". Viele
hatte man später als Leichen erstarrt
gefunden. I n der Nacht vom 30. au>
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Podlaha-Prokesch, Band 23
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Podlaha-Prokesch
- Band
- 23
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1872
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon