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Nautenftrauch Nautenstrauch
dessen Verfasser übrigens nicht genannt
war, sofort an die oberste Iustizstelle zur
schleunigsten Berathung, die sich mit den
Gründen einverstanden erklärte, worauf
die Kaiserin auf das Gesuch ihr Placet
mit dem Beisatze: „mir ist ein großer
Stein vom Herzen" hinschrieb. Sofort
wurde diese Verfügung dem Stadt» und
Landrichter zugeschickt, der sie kurze Zeit
vor der stattzusindenden Hinrichtung des
Delinquenten erhielt. Der Jubel im
Publicum darüber war groß, aber nicht
geringer daö Staunen, wem es gelungen,
die Kaiserin in ihrem festen Entschlüsse
zu erschüttern. Die oberste Iustizstelle
erließ an die niederösterreichische Regie-
rung den Auftrag, „den Verfasser der
für den Reinisch eingereichten Bitt»
schrift ausfindig zu machen". Am folgen-
den Morgen fand sich bei dem damaligen
Vicestatthalter, dem Grafen Herber»
stein, der Verfasser der Bittschrift ein.
Dieser war Rautenstrauch, der sich
bewußt seiner guten Absicht, schriftlich
da« Bekenntniß überreichte, daß er die>
sen Schritt gewagt. Interessant ist nun
die Erledigung, die darauf folgte. Nach
vier Wochen erhielt Rautenstrauck
ein Hofdecret, daS ihn verurtheilte,
„wegen der im Namen des PublicumS
für den zum Strange aufgesetzt gewese»
nen MathiaaReinisch höchsten Ortes
überreichten Bittschrift zur Bestrafung
seines Frevels auf drei Tage zum Profo>
ßen zu gehen". Rauten st rauch saß
auch wirklich seine Strafe ab. Daß dieses
Ereigniß mit seinem sonderbaren Ab»
schluffe Rauten st rauch bald in den
Mund des Volkes brachte und zu des-
sen Liebling machte, erklärt sich wohl
von selbst. Im nämlichen Jahre erschien
auch, jedoch ohne Namen, sein Libell
über die Wiener Stubenmädchen, welche
eine ganze Reihe von Anwälten fanden, die für sie Partei ergriffen und die
Seher Wiens mit lauter Schriften über
die Wiener Stubenmädeln beschäftigten.
Es sind deren weit über ein Dutzend er-
schienen und für Sammler biographischer
Kuriositäten bemerken wir, daß Graf»
fer in seinen „Neuen Wiener Local»
fresken", S. 71, und in den ,Neuen
Wiener Tabletten", S. 341, die Titel
dieser Stubenmadel-Literatur angibt und
daran in ersterem Werke mehrere cul»
turhistorische Bemerkungen über dieses
Thema anschließt, die heute noch ihre
Giltigkeit haben. I n eine andere uner»
quickliche Polemik wurde R. durch sein
Buch über die Kaiserin Mar ia There»
sia, welches im Jahre 1780 erschien,
verwickelt. DaS Buch war ziemlich vom»
poö angekündigt worden und wurde im
Publicum mit großer Spannung erwar»
tet. Nachdem eS aber erschienen, waren
die Nrwartungen nichts weniger als be»
friedigt und eine Fluth von Kritiken und
Gegenschriften ergoß sich über das wirk»
lich unbedeutende Werk, welches jedoch
nichtsdestoweniger lange Zeit von allen
Bearbeitern der Theresianischen Regie»
rungöperiode fleißig benüht wurde. Am
schärfsten aber ging dem k. k. Agenten
der k. k. Rath der Akademie der bilden-
den Künste in Wien, Friedrich I u»
stuS Riedel , zu Leibe, der eine,,Nö»
thige Beilage zu der Nautenstrauch'schen
Biographie Maria TheresienS. Auf Ver»
langen vieler Patrioten Deutschlands"
(Wien 1780, Kurzböck, 66 S. 8«.) her-
ausgegeben hatte. Diese Schrift Rie»
del's ist wirklich ein Curiosissimum und
ging Rautenstrauch sehr zu Herzen.
Zuvorderst suchte er den empfangenen
derben Streich durch eine „Abfertigung
an Herrn Rath Niedel wegen der Bei»
träge zur Biographie M a r i a There»
siens", welche 1780 zu Preßburg er»
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rasner-Rhederer, Volume 25
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rasner-Rhederer
- Volume
- 25
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1868
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon