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Richter, Joseph 24 Nichte^ Joseph
denn seine Schriften in einer merkwür«
digen Zeitperiode ein lebendiges Gemälde
aller während derselben in religiöser,
politischer, moralischer Hinsicht statt-
gehabten Vorkommnisse, sowohl ernst«
haften als lächerlichen Inhalts. Und
wenn sein Freund und Zeltgenoß Reher,
der mit ihm durch fast vier Decennien
im innigsten Verkehre gestanden, in seinem
Nachrufe über R. schreibt: „ungeachtet
manche dieser Schriften nur auf äugen-
blickliche Wirkung berechnet, durch die
Zeit selbst an Interesse verlor, und Er
selbst, wie er öfters mündlich klagte und
es nach feinem Tode schriftlich hinterließ,
mit einem Theile dieser Schriften nicht
zufrieden war, weil er fie, wie so
manche andere deutscke Schriftsteller
nothgedrungen, nicht so viel nach eigener
Einsicht, als nach dem Wunsche so man»
cher, mehr auf den eigenen Gewinn als
auf den Ruhm des Autors bedachten
Verleger schreiben mußte, so bleibt er
doch ein allgemein bekannter und belieb«
ter Satyrenschreiber in Rab ener's mit«
der Manier, der sich immer als warmer
Freund der Wahrheit und Aufklarung
zeigte". Die Geschichte des Ursprungs
mehrererSchriften Richtei's böte manche
interessante Illustration zur Geschichte
seiner Zeit. So z. B. unternahm er auf
Andringen eines speculativen Buchhand-
lers die Bearbeitung eines grammatika»
lischen Wörterbuches in zwei starken
Octavbänden, eine Arbeit, die für seinen
lebendigen, wihsprudelnden Geist am
wenigsten paßte. Aber diese Unternehmung
war auf Ungarn berechnet; denn es
hatte, wie schon unter Kaiser Joseph
verlautete, dort die deutsche Sprache als
GeschaftSsprache eingeführt werden sollen.
Richter machte sich an die trockene
Arbeit, lieferte sie aber erst spat und daS
Werk kam im Jahre l791 heraus. Am meisten Aufsehen von allen Schriften
Richter's machte vielleicht die noch zu
Lebzeiten Joseph's I I . erschienene Flug'
schrift: „Warum wird Kaiser Joseph
von seinem Volke nicht geliebt?" Eine
Schrift, die selbst auf den Kaiser, unge-
achtet seines Gefühls, ein Märtyrer seiner
Zeit zu sein, nicht ohne Eindruck geblie.
ben sein mag. Der Herausgeber dieses
Lexikons ließ eS
sich zur angelegentlichsten
Sorge sein, ein vollständiges Verzeichniß
der Schriften Richter's zusammen zu
stellen. Ob eS ihm gelungen, kann er
Richt behaupten, aber das vollständigste
der bisher vorhandenen ist eS jedenfalls.
Den bibliographischen Büchertitel war er
bei der großen Seltenheit von R i
ch te r's-
Schriften außer Stande, herzustellen; er
muhte sich in den meisten Fällen mit den
in Katalogen aufgefundenen oder ihm
von literarischen Freunden mitgetheilten
begnügen. Die Bücher-Lerika von Kay«
ser, Heinsius, dann die Literatur-
geschichten und literarhistorischen Schrift»
steller.Lexika von Goedeke. Meusel,
de Luca, Kehr ein sind im hohen
Grade lückenhaft. Es mußte eine Menge
Kataloge durchgenommen werden, und
doch war es nicht immer möglich, das
Jahr. in, welchem viele Schriften gedruckt
worden oder erschienen find, aufzufinden.
Es folgen demnach jene Schriften, deren
Jahreszahl angegeben ist. in chronolo«
gischer Reihe, dann jene ohne Jahres-
zahl. Noch kann Herausgeber dieses
Lexikons nicht begreifen, wie eS gGchehen
kann, daß von einem Manne von Rich»
ter's Einfluß und Bedeutung in den
Literaturgeschichtswerken der Neuzeit ent-
weder gar nicht oder nur in oberstäch«
lichster Weise Erwähnung geschieht.
Uebersicht der sämmtlichen Schriften Joseph
Nichter's (in chronologischer
Folge). ^) „Ge<
dichte zweier Freunde" (Wien l?7S, Came.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rhedey-Rosenauer, Volume 26
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rhedey-Rosenauer
- Volume
- 26
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 436
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon