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welch letzterer R. sin Jahre 1828 di
Doctorwürde erlangte. Im nämlichen
Jahre ernannte ihn auch Professor Wag.
ner, welcher damals das pathologisch-
anatomische Fach hatte, zu seinem Assi-
stenten. Auf diesem Posten arbeitete R.
m erster Zeit freilich ziemlich unbeachtet,
mit einem Eifer und einer Sorgfalt ohne
Gleichen, bei den anatomischen Unter,
suchungen. Er machte sich sonach als
Arzt und Anatom'bald so bemerkbar,
daß er nach dem Tode Wagner's
im Jahre 1.834 zum außerordentlichen
Professor der pathologischen Anatomie
ernannt wurde und das mit dieser Pro
feffur verbundene Amt des gerichtlichen
Anatomen für sämmtliche, in Wien von
Gerichtswegen vorzunehmenden Leichen
öffnungen erhielt. Um nun Rokitan-
sky's Thätigkeit und wissenschaftliche
Bedeutung, die eine europaische ist, rich-
tig zu würdigen und ganz zu verstehen,
muß ein kurzer Blick auf die bisherigen
Zustände in der Medicin, so weit sie die
Grenzen ewer Biographie nicht über-
schreiten, die aber doch ein treues, mög»
lickst zutreffendes Bild des Mannes der
Wissenschaft geben soll, entworfen werden.
Bis vor Roki tansky fragte der Arzt
— vielleicht Wenige ausgenommen, die
aber damit nicht vorzutreten wagten —
zu wenig darnach, wie die Erscheinungen
am Kranken zu Stande kommen; man
begnügte sich vielmehr damit, das äußer»
liche'Beisammensein von Symptomen als
eine besondere Krankheit aufzufassen.
Diese Krankheitsformen betrachtete nun
die praktische Medicin"als Störungen im
Lebensgange, der sich in den Nerven oder
anderen Organen kundgab, ohne dabei
'die anatomischen Störungen und physio-
logischen Vorgänge, die eben die Grund-
läge jener krankhaften Aeußerungen sind,
gehörig zu berücksichtigen. Man hatte
v.Wuczbach.bioar.tterikon. XXVI. fGedr nämlich Physiologie und. Anatomie in
der medicinischen Wissenschaft bisher viel
zü wenig beachtet. Der Umschwung, der
in den Naturwissenschaften sich vorzube-
reiten begann, mußte auck auf die Hei!«
künde seine Rückwirkung äußern. Selbst
große Aerzte, wie der berühmte Kliniker
Sckönlein, zeigten noch große Hinnei-
gung zurnaturphilosophischenAnsckauung,
welche aber in einem Gebiete, auf welchem
die strengste Objectivität geboten, immer
hinderlich ist. Dieser naturphilosophische
Einfluß war es also zunächst, der m der
Naturwissenschaft nicht geradzu abgewie«
sen. aber'doch auf ein bei weitem .gerin-
geres Maß zurückgeführt wurde, das ihm
etwa zukommt. Was in den übrigen
Gebieten der Naturwissenschaften allmalig
zum Durchbruche gelangle, dieser Vor«
gang mußte sich endlich auch in der Heil'
künde vollziehen. Der berühmte Physio»
log Johannes Müller, und der Be-
gründer der physiologischen Chemie, I u»
stuS 3 iebig, bereiteten diesen Umschwung
auf zwei Gebieten der Naturwissenschaft
vor und verhalfen der physikalischen und
chemischen Erklärung der Lebensvorgänge
zu ihrem Rechte. Zu ihnen — wenngleich
unabhängig von ihnen — gesellte sich
Ro ki tansky auf anatomischem Gebiete
und mit ihm im Vereine mit Skoda,
der die krankhaften Erscheinungen am
Körper nach Auenbrugger 's , in
Frankreich fortgebildeter, in Oesterreich
aber vergessener und nun wieder aufge«
nonunener Theorie der Percussion und
nach Laennec's Auscultation deutete
und verwerthete, begann die neue Aera
der Medicin, welche in der Wissenschaft
als die sogenannte „Wi en er S chule"
galt und zu großem Rufe gelangt ist.
Die Art und Weise, wie eben Rokitan»
ky sozusagen zum Führer der Wiener
Schule wui.de, beruht weniger auf der
28. Nov. lt>73.) 19
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rhedey-Rosenauer, Volume 26
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rhedey-Rosenauer
- Volume
- 26
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 436
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon