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Nokitansky 29t Nokitansky
in Verbindung mit der Physiologie, d. h.
mit stetem Hinblicke auf die gesunden
und abnormen Verrichtungen des Orga»
nismus zur Anerkennung zu bringen
gesucht. I n einem in der feierlichen
Sitzung der kais. Akademie der Wissen-
schaften im Mai 1858 gehaltenem Vor«
trage: „Zur Orientirung über Medicin
und deren Praxis" hat er gleichsam ein
Programm seiner Tendenzen gegeben,
auf welches für alle Jene hingewiesen
wird, die sich über dasselbe genau unter»
richten wollen. Rokitansky hatte
die Vorstudien zu seinem epochemachen»
den Werke in einer unscheinbaren, auf
das Dürftigste ausgestatteten Leichenkam'
mer des Wiener allgemeinen Kranken»
Hauses vorgenommen. Und dieselbe wurde,
als man die Bedeutung und Größe deS
Meisters erkannt h^tte, bald der Ziel-
punct der Wanderungen wissenödurstiger
Scholaren aus allen Weltgegenden. Der
Meister sah aber bald, daß eine solche
Unterbringung weder seiner, noch der
Wissenschaft, die er vortrug' noch der
pathologisch - anatomischen Präparate,
die bald eine Sammlung, die nicht ihres
z Gleichen hatte, bildeten, würdig sei. Den
ersten Anstoß zu einer Aenderung dieser
Thatsachen gab die Versammlung der
deutschen Naturforscher und Aerzte in
Wien im Jahre 1838. in welcher aus«
gesprochen wurde, es fei für die Residenz
und die alte Universität nicht ehrenvoll,
das Kostbarste, was sie in Bezug auf
Heilkunde besitze, um welches sie alle
anderen Hochschulen beneiden dürsten,
das in seiner Art einzige Cabinet dcr
pathologischen Anatomie in einem Raume
aufgestellt zu sehen, der eher für ein
Kohlenmagazin als für eine Wissenschaft«
liche Sammlung dieser Art paffe. Der
Anstoß war nun gegeben, und nun strebte
der Meister darnach, die Mittel zu einem anatomischen Museum mit dem heutigen
Stande der Miffenschaf" entsprechenden
Oertlichkeiten zu erhalten. Nack langen
Mühen und Kämpfen wurde endlich im
Jahre 1838 der Neubau beschlossen und
im Jahre 1862 wurde das vollkommen
mit aller Munificenz durch StaatS-
mittel und Spenden mehrerer Professo-
ren eingerichtete Hous dem öffentlichen
Wohle übergeben. Das Gebäude, dessen
nähere Beschreibung die Wald h-ei m'sche
«Illustrirte Zeitung" 4862, Nr. 27, ent-
halt, steht mit dem allgemeinen Kranken-
hause in Verbindung und tragt an seiner
Stirne in goldenen Lettern die dem Titel
der oberwähnten Schrift Morgagni 's
nachgebildete Aufschrift:
schung nach dem Sitze und den Ursachen
der Krankheiten gewidmet^. Die Rede,
mit welcher der gelehrte Arzt seine Vor-
trage in dem neuen Gebäude eröffnete,
machte ungeheures Aufsehen. Nokitan«
sky forderte in derselben „Freiheit der
Forschung" als das höchste Postulat,
denn „wo der Gelehrte ein Knecht ist.
kann keine Freiheit sein". Er bekannie sich
in, seinem Vortrage offen zum Materia«
lismus in der Wissenschaft, zu jenem,
welcker Alles, was er nicht mit seinen
Sinnen zu fassen und zu beweisen ver-
mag, in das Reich des OlaubenS ver»
weise, aber für sick nur mit authentischen
Thatsachen zu thun habe. Die Gegner
deS großen Meisters suchten aus diesem
freimüthigen Ausspruche für ihre Zwecke
und Machinationen Capital zu schlagen.
Die Antwort auf diese hyperloyalen Be-
mühungen war überraschend. Nackdem
der Medkinal.Referent im Ministerium,
für Cultus und Unterricht gestorben,
wurde R. im Jahre 1863 an dessen
Stelle berufen. Es bleibt noch übrig eine
Uebersicht der wissenschaftlichen Arbeiten.
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rhedey-Rosenauer, Volume 26
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rhedey-Rosenauer
- Volume
- 26
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 436
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon