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auch Muße für seine Bücher. Einmal,
als er in einem Wiener Kalender von
der Kaiserstadt und vom Kaiser Joseph
las, konnte er dem lange gehegten Dränge
nicht widerstehen und ging allein und
ohne Geld — nur mit einer tüchtigen
Portion Leichtsinn versehen — nach dem
fernen Wien. Erst nach mehreren Tagen
und seltsamen Abenteuern kam er krank
in seine Berge zurück. R. hat später diese
sewe erste Reist in seinem „Wanderleben"
eingehend beschrieben. Der Klupen-
egger kam nun auf den Gedanken, daß
mit seinem Peter lein als Bauer nicht
viel zu machen sein dürfte; er schlug
Wege ein, seinen Sohn in die „Studie"
zu geben und einen „Pfarrer" aus ihm
zu machen. Ein Dechant in einem Nach«
barsthale war dem Bauer dazu behilflich,
den Knaben unentgeltlich in eine Lehr'
anstatt zu bringen; allein schon nach
wenigen Tagen entfloh der Knabe der-
selben aus lauter Heimweh nach seinem
Walde. Er war nun bereit, alle Bücherei
aufzugeben, um sich ganz der Bauern-
arbeit zu widmen. Aber so recht wollte
ihm die Welt und was die Menschen
über sie geschrieben, nicht mehr aus dem
Kopfe gehen. So vergingen ein paar
Jahre. I n dem einsamen Bauernhause
waren Krankheiten und andere Unglücks-
fälle eingekehrt und der Klup en egger
wär ganz verarmt. Der Peter hatte an
der Wirthschaft keine rechte Freude und
er wollte, zu Gunsten eines seiner )ünge>
ren Geschwister auf den Anspruch der-
selben verzichten. Er besann sich, ging
nun zu einem Schneidermeister und lernte
das Handwerk. Fast fünf Jahre führte
er mit seinem Meister ein förmliches No»
madenleben, indem sie von einem Hause
zum andern zogen und den Leuten die
Lodenkleider machten, Peter war wohl
befriedigt, aber nicht zufrieden. Die Welt und die Bücher ließen ihm keine Ruhe,
er las während des NadelnS (wenn just
der Meister nicht da war) und in den
Nächten schrieb er wieder Zeitschriften
und Kalender. Wenn er bisher nur hoch»
deutsch geschrieben hatte, so versuchte er
sich nun auch in seiner heimatlichen
Mundart, in welcher er eine Reihe G»
dichte verfaßte. Bei dem Dorfwirthe lag
eine Zeitung, die Gratzer „Tagespost"
auf. Peter las sie an den Sonntagen.
Da kam ihm einmal der Gedanke, Eini»
ges aus seiner Feder der „Tagespost"
einzuschicken; etwas von sich gedruckt zu
sehen, war schon lange sein heimliches
Ideal. Er sandte also dem Redacteur
Dr. A. V. Svoboda einige Aufsätze
in Prosa und Versen, und etwas später
a ll das Papier, das er schon vollgeschrie»
ben hatte, ungefähr 43 Pfunde. DaS
war der entscheidende Schritt zum Glücke.
Svoboda, nachdem er einen aufmerk»
samen Blick in das Manuscript gewor»
fen, erkannte, daß der Schreiber unge«
wohnliches Talent besitze, intereffirte sich
für den armen Bauernburschen und ver»
öffentlichte im December 4864 in der
„Tagespost" mit Beischluß einiger Pro»
ben des Waldschneiderleins einen Aufruf,
dem „Naturdichter" die Ausbildung fti>
nes Talents zu ermöglichen. So fanden
sich denn in Gratz bald mehrere Wohl»
thäter, von welchen unter Anderen Frau
Katharina Reicher. Professor Franz
Dawidowsky, die Doctoren St ei»
ner und Rechbauer. Ritter vonMar-
t in i , der durch feine Grdbebentheorie
bekannte Professor Falb, Oberst Fö-
dransberg zu nennen sind. Besonders
aber war es der Großindustrielle Herr
Peter Rein inghaus, der sich aus»
giebigst des jungen Dichters annahm und
ihm den Aufenthalt in Gratz ermöglichte.
Die Handelsakademie eröffnete ihm einen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rhedey-Rosenauer, Volume 26
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rhedey-Rosenauer
- Volume
- 26
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 436
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon