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Schaffgotsch 84 Schaffgotsch
schluchzend erzĂ€hlte daS MĂ€dchen, daĂ
ihre Mutter sterbenskrank sei und sie den
Priester holen solle, damit er der Mut-
ter die letzte Wegzehrung reiche. Es sei
aber Mittagszeit und nun mĂŒsse sie
wai-ten. Der Bischof beruhigte das MÀd»
chen und hieĂ es nur eine kleine Weile
noch zu warten. Nun begab er sich selbst in
die Sacristei und in wenigen Minuten
erschien er unter dem Baldachin mit
dem MeĂner und schritt nach dem ziem»
lich fernen Dorfe Leitnowih, wo er der
Kranken das heilige Sacrament spendete
und dann seinen Weg mit dem Aller-
heiligsten zurĂŒckwanderte. Die BĂ€uerin
war genesen und Bischof Prokop wan-
derte eines TageS mit seinem Wirth,
schaftsrathe dem Dorfe Leitnowitz zu und
beglĂŒckte die gesundete BĂ€uerin mit
seinem Besuche. Das war im Bauern-
hause ein Jubel und eine Freude son«
dergleichen. Und nun erkundigte sick
der edle PrÀlat nÀher um die VerhÀlt»
niffe der BĂ€uerin und erfuhr, daĂ sie
einen einzigen Sohn habe, der ihr aber
zum MilitÀr genommen worden, und
ihre Tochter solle den Sohn eines reichen
Bauern im Nachbardorfe heirathen, aber
sie sei arm, könne der Tochter keine Mit«
gift geben, und so mĂŒsse die Heirat auf«
gegeben werden. Der PrÀlat tröstete die
BĂ€uerin, versprach ihr, fĂŒr die Aussteuer
ihrer Tochter selbst zu sorgen und that
es auch in freigebigster Weise. Als er sich
entfernen wollte, brachte ihm die BĂ€uerin
einen halben Laib Brot mit der Bitte,
es als Lohn fĂŒr seine MĂŒhe anzunehmen.
Der Bischof nahm es und trug eS unterm
Arm heim. Auf dem Wege von der
BĂ€uerin begegnete er einem beliebten
Schauspieler. Als dieser den Kirchen«
surften ehrerbietig grĂŒĂte, trat der leut°
selige Bischof auf den Darsteller zu
und fragte ihn, wie es ihm gehe? âSchlecht", erwiederte ziemlich betrĂŒbt,
der Schauspieler; âich soll an meine neue
Bestimmung nach Karlsbad- abreisen.
Heute ist der Tag meiner Einnahme, das
Wetter ist herrlich , wer geht bei solchem
Wetter in's Theater? Und ich habe auf
diesen Tag gerechnet, um durch die Ein»
nÀhme desselben meinen Verpflichtungen
nachkommen zu können." Der Bischof
beruhigte den als Komiker beliebten
Darsteller mit den Worten: âGeh'nur
ruhig nach Hause, alter SpaĂmacher,
du machst die Leute oft genug lachen, ich
will schon Sorge tragen, daĂ du selbst
nicht traurig zu sein brauchst". GerĂŒhrt
wollte der Schauspieler dem PrÀlaten
die Hand kĂŒssen. waS aber dieser gĂŒtig
abwehrte. Heimgekommen, schickte er
seinen Wirthschaftrath in's Seminar mit
dem Auftrage, der Rector wolle heute
allen Theologen erlauben, das Theater
zu besuchen. den Eintritt werde der
Bischof selbst bezahlen. Kaum hatte die
Nachricht, daĂ die Seminaristen auf des
Bischofs Wunsch die Vorstellung besuchen
und der Bischof wohl selbst derselben
beiwohnen wĂŒrde, in der Stadt sich ver»
breitet, als Alles im Theater sein wollte
und es Abends an Raum gebrach, um
die Besucher alle zu fassen. Der Darsteller
hatte eine glÀnzende Einnahme gemacht.
Abends aber, als der Bischof aus der
Vorstellung heimkam, zerschnitt er den
mitgebrachten halben Laib Brot in
StĂŒcke und vertheilte es unter seine Die«
nerschaft mit den Worten: âSeht, daS
habe ich mir heute in meiner Seelsorge
verdient". Das ist ein Tag aus dem
Leben eines KirchenfĂŒrsten. Ist das Leben
eines solchen ManneS nach dem Willen
Gottes nicht werth, erzahlt zu werden?
GegenĂŒber seinen MitbrĂŒdern aber kann
man nur sagen: âMacht's ihm nach!"
Die Kirchenleriken aber haben keinen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sax-Schimpf, Volume 29
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Sax-Schimpf
- Volume
- 29
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der UniversitÀts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1875
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 374
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon