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) Friedrich, Lanzkn. 70 Schwanenberg) Friedrich. Lanzkn.
Lösungen. So wurde der Weg des Einen zu
kurz, der Weg des Anderen zu lang. Felix
war immer unbekümmert um sein „zu kurz
Fritz war immer bekümmert um sein „zu
lang" und bezeichnete seufzend sich selbst als
einen Politiker für den Poeten. Er empfindet
und weiß gründlich, daß seine alte Welt un<
tergeht und das ein Verbindungefaden nach
dem anderen zerrissen wird, schonungslos zer>
rissen wird. „Was bleibt mir übrig, als ster.
ben", sagt er seit Jahren wehmüthig, und er
sagt es wahrhaftig. Man irrt sich übrigens
ganz in diesem sterbenden Ritter, wenn man
in ihm einen Gegensatz sieht zu liberalen
Ideen. Er ist voll Liberalismus voll Men
schenfreundlichkeit, nur in der Bildunqsform
weicht er ab von uns. Die Gliederung in
Stände ist sein tiefes Bedürfniß, die Gliede-
rung in Nationenkreise hat er als kaiserlicher
Oesterreicher so tief in sich eingrsogen, daß
ihm sein neutralistischer Vetter Felix eine
Ungeheuerlichkeit war, und ebensowenig ge<
fällt ihm doch auch die neuerliche gewalt«
same Loßreißung der österreichischen Nationen
vom Mittelpuncte. Der gedankenarme und
sterile Uebergang aus dem deutschen Kaiser
thume in ein österreichisches Kaiserthum, der
bloße Polizeistaat des Kaiser Franz, ist ihm
die Quelle aller Verschwemmung und Auf«
lösung. Weil cr denn in die ofsicielle Poli.
tik seines Vaterlandes — die Schwarzen»
berge stammen aus Franken und sind seit
Jahrhunderten in Oesterreich einheimisch,
vorzugsweise in Böhmen — nirgends paßte,
so begnügte er sich mit einer losen Stellung
in der Armee, welche ihm immer Gelegenheit
bot, Blut und Leben einzusetzen bei schwerer
Zeit, und suchte sich übrigens in Europa die
Landschaften aus, in welchen für historisches
Recht gefochten wurde. Da ging er hin und
focht mit Völkerschaften, welche sich gegen
das Neue wehrten. Er kam stets mit zerstör-
ten Illusionen zurück, aber nie ohne reichliche
Ausbeute für Kenntniß, Verstand und tiefere
Einsicht. Das schrieb er nieder auf Papier«
schnitze!, die er selbst „Fidibus" nennt und
die er an Freunde vertheilt. Mitunter treff.
liche Gedanken gibt er da zum Verbrennen,
und besonders über militärische Dinge ist er
überaus lehrreich, da er gesund beobachtet
und die historische Entwicklung des Krieges
sorgfältig studirt hat. Für den Volkskrieg
namentlich ist er eine Fundgrube an Hilfs«
Mitteln, und wenn er seine Kriegsfahrten in
Spanien unter den Karlisten beschreibt da j entwickck er eine seltene Fähigkeit intimer-
Beobachtung und-unverwüstlich guten Herzens.
Dem Gegner versagt er nie ein Atom von
Gerechtigkeit, und der Bauer, der Unterthan
ist immer Gegenstand seiner zärtlichen Theil>
nähme. Die Naturgeschichte ist ihm die allein
wahre Geschichte; daß die politische Geschichte
sie so vielfach verleugnet, daS ist seine Pein.
Ein Mann von mittlerer Größe, mit liebe,
vollen blauen Augen, geht er durch unsere Welt.
wie ein fremder Zuschauer. Wie Einer aus
anderem Kirchspiele hört er unsere Predigten
an und schüttelt dazu achselzuckcnd das Haupt.
Was sagen Sie dazu? — „Nichts. Ich bin
eben aus einem anderen Kirchspiele'" I n
jahrzehntelangem Verkehre mit einander haben
wir dann oft unsere Glaubenssätze der ver»
schiedenen Kirchspiele erörtert und sind dabei'
oft in den heftigsten Zank gerathen. Nie hat
ihm die Güte versagt, die heftigsten Aeuße»
rungen nicht übelzunehmen. „Verschiedene
Kirchspiele, ja verschiedene Welten", rief er
lächelnd, wenn wir uns nach solchen Scenen
wiedersahen. Ein starkes Gerechtigkeitsgefühl
nöthigt ihn zur Nachsicht;j er muß nämlich
zugestehen, daß ein Staat seines Ideals jetzt
unmöglich noch herzustellen ist. Alle Vorder-
glieder, alle Vorbedingungen sind verloren
gegangen. Für den Dichter aber ist Fritz S.
eine unerschöpfliche Quelle: er kennt alle
Dinge bis an fernste Wurzeln, und ist im
Stande, Alles naiv anzusehen, wie ein unver«
dorbenes Kind. Ein rührendes Kind ist er auch
seinem Vater gegenüber, dem berühmten
Feldmarschall der Alliirten, welcher die Kriegs»
Völker alle in der Schlacht bei Leipzig com^
mandirte. Jedes Wort, daS über ihn ge,
sprochen, jede Zeile, die über ihn geschrieben
worden, sammelt er getreulich auf und den
kleinsten Tadel empfindet er bitterlich. Auch
hierin zum Dulden bestimmt: denn das große-
Verdienstjenes commandirenden Feldmarschalls
ist nie genügend gewürdigt worden. Jeder
Alliirte drängte seine Leute und seine Ver<
dienste vor und jeder sprach lauter und zu-
versichtlicher, als es dem österreichischen
Naturell gegeben ist, von sich selbst zu spre.
chen. Ohne jenen commandirenden Schwär,
zenberg wäre es vielleicht nie zu einer
alliirten Schlacht bei Leipzig gekommen; für
diesen Zusammenhalt bedürfte es eines so
mild diplomatischen, so entsagend nachgie-
bigen, so friedlich guten Kriegsmannes". Eine
Charakteristik, die gewiß Jeder zutreffend fin-
det, dcr den Lanzknecht kannte.
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Volume 33
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schwarzenberg-Seidl
- Volume
- 33
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1877
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon