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Kar l zählte damals zwölf Jahre — die
Franzosen einrückten, erhielt das empfang»
liche Gemüth des Knaben wohl die er-
sten nachhaltigen Eindrücke. Die Ver»
haltniffe im Elternhause, waren nicht
dürftig, jedoch beschrankt, was sich bei
der zahlreichen Familie nur fühlbarer
machte. Auch lastete, wie eine in Povpitz
noch lebende, an den dortigen Volkssänil-
lehrer Daniel P ahr verheiralhete Schwe-
ster Postl's erzählt, die Strenge des Va-
ters schon genug auf dem Jungen. Diese
Strenge, wie sie bericbtet, war so über-
trieben, daß der Bruder vor derselben sich
oft in die Einsamkeit der Natur flüchtete
und namentlich an jener lauschigen Stelle
hinträumte, welche später durck die Pie»
tät eines Verehrers seiner Schriften mit
einem Denksteine bezeichnet wurde. An»
deres, was über das Verhältniß zwischen
Vater und Sohn berichtet wird. ist, wie
die Schwester versichert, müßiges Gerede
und angebliche tiefgehende Mißhellig»
keiten, hie zwischen Vater und Sohn ob»
gewaltet hätten, sind vollständig aus der
Luft gegriffen. Nachdem Kar l die fünf
Classen des Gymnasiums in Znaim be.
endet, erhielt er durch Vermittelung des
Poppitzer Pfarrers einen Platz als Con»
ventstudent im Präger Kreuzherrenstifte
und beendete als solcher die vhiloso.
phiscken Studien. Als es nun galt, sich
für einen Beruf zu entscheiden, gab der
Ausspruch der Mutter: „wüßteich, daß
Du nicht Geistlicher werden willst, so
wul.de mich jeder Kreuzer gereuen, den
ich auf >. ich verwendet habe". den AuS°
schlag, n.'.ch kurzem inneren Kampfe rief
der Sohn aus: „Nun, Ihr Wille ge«
schehe!", verließ schon in den nächsten
Tagen Pop,)itz und reiste nach Prag, um
sicb in den Orden der Kreuzherren vom
rothen Sten aufnehmen zu l äffen. So
trat Kar' im Jahre" 1813 als Novize in das OrdenshauS und legte die ritterliche
Ordenskleidung. den schwarzen Talar
mit dem rotbseioenen Kreuze vorn an der
Brust, an. Der damalige Ordensgeneral
und Großmeister Anton Köbler er»
nannte ihn, viel früher als er in Folge
seines Alters zum Priester geweiht wer»
den konnte, vornehmlich wegen seiner
Sprachkenntnifse. zum Ordenssecretär,
ein Fall. der- im Stifte Aufsehen erregte
und die Lage des jungen Priesters seinen
Collegen gegenüber nicbt gerade ver«
besserte. Dessenungeachtet war diese be»
vorzugte Stellung im Stifte nicht im
Stande, manche andere damit verbundene
Widerwärtigkeit auszugleichen. der Auf«
enthalt im Kloster wurde ihm je langer
desto unleidlicker und der junge Priester
sann allen Ernstes darüber nach, die Ket«
ten, die ibn fesselten, zu zerreißen. Das
ist der Wendepunct in Sealsf ie ld.
Postl's Leben, über welchen aller Auf»
schluß fehlt und sich nur Vermuthungen
aufstellen lassen, mit denen freilich nichts
gewonnen ist. Man hat ein Liebesver-
haltniß mit einer den höchsten Gesell«
schaftskreisen angehörigen Dame — d'ann
wieder persönliche Conflicte mit seinen
Ordensobern und Brüdern und zuletzt
gar eine sein Andenken schändende Ge-
schichte als Ursachen seiner Flucht aus
dem Stifte bezeichnet. Die sein Anden«
ken schändende Gerüchte. die auf nickts
Geringeres als eine Defraudation von
80.000 fi. Stiftsgeldern hinauslaufen,
wurden spater in Abrede gestellt. Der nach-
malige Ordensgeneral der Kreuzherren
Beer, Köhler's Nachfolger, erklärte
sich den Familienangehörigen Seals»
field's gegenüber in der bestimmtesten
Weise bereit, ihnen zu bestätigen, daß
Secretar Postl niemals mit Ordensgel,
dern flüchtig geworden, daß er überhaupt
nie in die Lage gekommen. Ordensgelder
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schwarzenberg-Seidl, Volume 33
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Schwarzenberg-Seidl
- Volume
- 33
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1877
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon