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Semper Semper
den könnt ihr bauen l" Und von den Ar>
beitern nun beim Worte genommen, habe
S. auch auf diesem Gebiete elementarer
Baukunst seine Meisterschaft bethätigt und
damit sich selbst das Urtheil gesprochen.
So wird — und in glaubwürdiger Weise
— Semper'S Antheil an der 48er Re-
volution erzahlt; man sieht, daß sich S.
im Feuereifer seiner Kunst zu einer That
hinreißen ließ, bei der er wohl ansonst
nichts, höchstens an Befriedigung seiner
Kunsteitelkeit, dachte. Den Barricaden-
bau aber hatte er 1830 in Paris zu ler»
nen Gelegenheit gehabt. Nach dem
Dresdener Aufstande verließ S. die Stadt,
ging vorerst nach Paris, dann nach Lon-
don, wo er. wie schon bei der ersten Welt«
ausstellung, an den Vorarbeiten zur
Gründung deS Kensington«Mufeums mit-
arbeitete und als Lehrer wirkte. Aus
der Zeit seines Londoner Aufenthaltes
besitzt das WienerOesterreichiscke Museum
ein Manuscript Semper's in englischer
Sprache vom Jahre 1832. betitelt:
.Ideales Museum für Metalltechnik",
daS ein interessantes Zeugniß gibt von
des Künstlers Vielseitigkeit und Gründ-
lickkeit der Studien. Im Jahre 1833
erfolgte Semper'S Berufung nach Zü>
rich, um an der dortigen polytechnischen
Schule die Stelle eines Directors an der
Abtheilung für Architectur zu überneh-
men. Achtzehn Jahre war S. auf hie«
sein Posten thätig, „ein Stern erster
Größe", wie einer seiner Biographen
schreibt, „weithin leuchtend und viele
strebende Jünger der Kunst zu sich heran
ziehend". Von den schriftstellerischen Ar
beiten Sem p e r'S auS dieser Zeit, wie
von denselben überhaupt, soll weiter un
ten die Rede sein. Von architektonischen
Schöpfungen aber. welche ln die Periode
seines Züricher Aufenthaltes fallen, sind
anzuführen: am Neubau des Polytechni cums in Zürich der Mittelbau mit dem
Vestibüle, dem Antikensaal und der Aula,
ferner die ihn umgebenden mächtigen
Terrassen und Treppenanlagen, sammt-
licb nach seinem Project ausgeführt; die
Sternwarte; daS Stadthaus, das nach
Ausspruch uonBauverstandigen, in Folge
seiner classischen Ausführung, der Wall-
fahrtsort für die Architekten der Zukunft
werden wird; das Lagerhaus des Groß-
kaufmannes F! erz; die zwei Theaterent-
würfe für Rio»Icmeiro und München,
ersteres noch, wie daS alte Dresdener
Theater mit vorspringendem,, vollem
Halbkreis, aber viel imposanter nnd kraf-
tiger gegliedert, letzteres mit Segment»
bogen und im Hinblick auf den Wagner»
Cultus mit ausgedehnten Festsälen; ein
Entwurf für den Bahnhof in Zürick. von
dem, wie sein Biograph berichtet, „nur
ein Funke in die definitiven Pläne über-
sprang, und die Einsteighalle zur archi»
tekwnifch bedeutendsten aller derartigen
Anlagen erhob", und ein kleiner Entwurf
für den Cursalon in Baden (in der
Schweiz), in welchem er daS großartige
System römischer Architectur geistvoll in
kleinere Verhältnisse zu fügen verstanden
hat. Da sollte den in Zürich bereits Ein»
gebürgerten ein Ruf zur Lösung noch
größerer Aufgaben aus langgewohnten,
liebgewordenen Verhältnissen reißen. Es
konnte sich nämlich in der Concurrenz für
die kaiserlichen Museen in Wien die Jury
nicht einigen und in Folge dieses Umstan»
des hatte der Oberstkämmerer Franz Grqf
Crennevi l le den glücklichen Gedanken,
einen außerhalb desParteikamvfeS stehen,
den Architekten ersten Ranges, u. z. eben
Semper, vorzuschlagen und der Vor»
schlag erhielt die kais. Genehmigung.
Aber auch Semper vermochte nicht, die
vom Hofe festgesetzte und von den her»
vorrogenderen Ccncurrenten nicht ein-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Seidl-Sina, Volume 34
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Seidl-Sina
- Volume
- 34
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon