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Stadion-MarthauseN) Franz Ser. 19 Stadion-MarthauseN) Franz Ser.
die vorderen, glücklicher Weise leeren Wag<
gons des Zuges waren zu Splittern zer»
schmettert, und gerade der Waggon, in
welchem der Graf mit seinen Getreuen saß.
war der Erste, der unversehrt geblieben. Vom
Weiterfahren war keine Rede mehr. Auf der
provisorischen Haltstation kein Unterkommen.
Man mußte etwa eine kleine halbe Stunde
weit marschiren, bis man an einen Ort
gelangte, wo etwas zu erhalten war. Es
war Nacht, eisige Kälte herrschte und nun
wanderten an 2l) und mehr Bahnreisende,
in der Mitte von ihnen der Graf, auf dem
Bahndamme in der Richtung nach dem be«
zeichneten Wirthshause, wo sie ein warmes
Zimmer und vielleicht einen heißen Punsch
oder Kaffee bekommen sollten. Auch dieses Ziel
ward erreicht. Eine geheizte Stube nahm die
ganze Gesellschaft auf. Jeder bestellte Thee,
Kaffee, Punsch; auch der Graf bestellte einen
Thee. Der Wirth war ein Radicaler schlim»
ster Sorte. Daß der Graf sich unter seinen
Gästen befand, konnte nicht verborgen» wer«
den, war auch kein Grund da, es zu ver<
bergen. Mit wüthenden Blicken maß der
Wirth den Grafen. Alle erhielten, was sie
bestellt, nur der Thee des Grafen blieb aus.
Da auch Andere bereits Thee erhalten hatten,
fiel es auf. Es stellte sich allmälig heraus,
der raoicale Wirth wollte dem verhaßten
Minister nichts verabreichen. Wiederholte
Erinnerungen des Grafen, ihm den Thee
zu bringen, blieben erfolglos. Der Graf er»
hielt nichts und blieb, da er alle Anbote
seiner Gefährten, deren jeder bereit war, ihm
sein Getränk abzutreten, entschieden ablehnte,
ohne Labung. In den Mienen des Grafen
zuckte es ein paar Male auf, endlich aber
schien ihn die Sache zu belustigen. Wie
peinlich der Vorfall die sämmtlichen Beglei
t:r des Grafen berührte, läßt sich kaum
sagen. Nachdem die Hindernisse der Weiter»
fahrt beseitigt waren, was wohl an die
zwei Stunden gedauert, brachen Alle auf,
erwärmt und gesättigt, nur Graf S tad ion
hatte nicht einen Tropfen Warmes getrun«
ken, keinen Bissen Warmes genossen. Er ging
wie die Uebrigen, nicht eine Sylbe kam über
seine Lippen, der radicale Wirth aber blickte
dem Grafen mit einer Selbstgenügsamkeit
nach, alS hätte er den großen Tresser ge<
macht. Welche Genugthuung nahm sich der
Graf? Den nächsten Tag erging an die Poli-
zei der Befehl, den Wirth, der genau bezeich«
net worden, vorzuladen und ihm vorzuhalten: Seine Pflicht als Wirth sei es, seinen Gästen,
ohne Unterschied ihrer politischen Richtung,
wenn sie bezahlten, das Verlangte zu verab»
reichen. Sollte er sich auf einer Unterlassung
dieser seiner nächsten Pflicht als Wirth betre-
ten lassen, so werde ihm die Wirthshaus» -
Gerechtigkeit ein für alle Mal entzogen wer»
den. Dieser ganze Vorgang kennzeichnet den
Grafen, der damals als Minister des Innern
und somit oberster Chef der Polizei, über
den ihm in bitterster Stunde zugefügten
pöbelhaften Affront eines Pfahlbürgers sich
hinwegsetzend, den ganzen Vorgang von
der legalen Seite auffaßte und ohne sein
eigenes verletztes Ich weiter zu berückstch«
tigen, dafür sorgte, daß Anderen nicht Aehn»
liches geschah, wie ihm geschehen. Er kannte
zu gut, wie in jenen Tagen die leidige Poli»
tik alle Leidenschaften aufgerüttelt und diese
in gemeinen Naturen auch den gemeinsten
Ausdruck fanden. — Im Geschäftlichen besaß
der Graf einen Scharfblick, um den er zu
beneiden war. Schon der vorstehende Fall
beweist, wie er wie hier den Nagel
immer auf den Kopf zu treffen wußte, und
eine Sammlung von seinen Verfügungen,
die nicht immer actenmäßig concipirt, wur«.
den, sondern von den Lippen sofort zur
Ausführung gelangten, wäre eine Blumen«
lese im Coder der Staatsweisheit, wie
sich eine ähnliche aus den Anordnungen
anderer Minister nicht immer zusammen«
stellen ließe. Wie der Graf, der überhaupt
weniger vom Actentische, der übrigens von
ihm nur die erbaulichste und lehrreichste Ge<
schichte zu erzählen wüßte, als vielmehr aus
dem Salon und oft durch Impromptus aus
dem gesellschaftlichen Verkehr regierte und
Anordnungen traf, oft mit einem Humor
und mit Geistesblitzen Maßregeln von Wich«
tigkeit ausführte oder deren Ausführung uer»
anlaßte, davon nachstehende Thatsache. Die
bekannte Waghorn'sche „UeberlanoSpost"
befand sich noch'in den ersten Anfängen. Der
Graf durchschaute ihre Wichtigkeit, aber wo
fand er ein wirksames Mittel, um die <3en>
tralstellen in Wien im Vormärz damr zu in.
teressiren? Denn wenn das Ganze den gewöhn»
lichen Instanzenzug gehen sollte, so gingen
Jahre darüber hin, ehe ein endgiltiger Be«
schluß gefaßt wurde. Als ihn nun eines Tages
einer der Herren ^Verfasser meint, es war
Herr von Schwarzer) besuchte, welcher
eine der ersten Fahrten mitgemacht und ihm
über die Fahrt Mittheilungen machte, da
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon