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Stadion-WarthauseN) Walt. Wilder. 47 Stadion-Warthausen, Wall. Wilder.
Sanitäts-Compagnie angestellt, und be«
gab sich ungesäumt auf den Kriegsschau«
platz. I n den heißen Schlachttagen von
Magenta und Solferino, mitten im stärk-
sten Kugelregen, in der brennenden
Glut der italienischen Sonne suchte
der 60jährige Samariter die Verwun«
deten auf, trug selbe, wie 28 Jahre
früher die Cholerakranken in Polen, auf
seinem Nucken auf die Verbandplätze,
leitete mit Umsicht und Energie feine
Sanitäts-Compagnie, sprach den Ster.
benden Trost zu, und die Erfüllung
manches letzten Wunsches, und suchte,
wo er nur immer konnte, die schweren
Leiden theils durch Trostesworte, theils
durch Heilmittel zu lindern. Noch gefahr.
voller und ebenso unerschrocken war
Walter 's Thätigkeit in den mit Bles-
firten und Typhuskranken gefüllten Feld-
spitälern. Seine Majestät der Kaiser
sprach dem Hauptmann Walter Gra»
fen S tad ion die Allerhöchste Aner»
kennung, öffentlich im großen Armee«
Befehle aus, und verlieh demselben den
Orden der eisernen Krone I I I . Classe
mit Kriegsdecoration. Selbst nach ein«
getretenem Frieden zog sich Walter,
erst als sich die Feldspitäler leerten und
endlich aufgehoben wurden, nach Mei»
delberg zurück, wo er noch elf Jahre,
den dortigen Armen eine Stütze, ver«
lebte. Wenige Stunden vor seinem Tode,
dessen Herannahen er fühlte, kleidete sich
Wal ter in sein volles Ordensgewand
— ganz wie die alten Ordensstatuten
einst vorschrieben — und erwartete so
kampfgerüstet den Tod, dem er furchtlos
in allen Gestalten so oft ins Auge ge«
blickt, und der nun an dem 71jährigen
Greis selbst sein Recht geltend machte.
Einem Schreiben des Grafen Andreas
von Thürheim, der 13 Jahre lang
sein Ordensbruder gewesen, entnehme ich folgende Charakteristik dieses Menschen»
freundes. „ Im gewöhnlichen Leben besaß
er", schreibt Graf Thürheim, „ manche
Eigenthümlichkeit, er war eine hohe
hagere Gestalt, stets im schwarzen Bein«
kleid, hatte die langen grauen Haare
nach rückwärts gestrichen, und war mit
einem altmodischen, langen, schwarzen, bis
zu den Knien zugeknöpften Rock beklei«
det. Das Malteserkreuz trug er unter
dem Rocke auf seiner langen, schwarzen
Weste aufgenäht, und den runden Hut
fast jederzeit nicht auf dem Kopfe, son»
dern in der Hand. Dieß Alles und seine
seltene Humanität, jene von gemeinen
Alltagsseelen nicht begriffene Aufopfe»
rung für seinen geringsten Nebenmen»
schen, gab oft Anlaß zu einem Achsel«
zucken, einem mitleidigen Belächeln, ja
selbst zu den von gewissen Lippen zum
Ehrentitel werdenden Namen „ein Narr!"
Doch dieß kam nur von jenen oberfläch-
lichen Weltmenschen, deren Seele nie von
der Ahnung eines Höhern durchdrungen
war. Wal ter S tad ion war ein
echter geistlicher Ritter aus der ersten
Zeit. der Ruhmes- und Bluthezeit seineS
Ordens'. Die christliche Dame Chari-
t a s war seine einzige Liebe, ihr weihte
er sein Ritterschwert, sein Trachten und
Sinnen, seine Thätigkeit, stin Leben!
Er war ein Priester der Nächstenliebe,
und wie hoch stand er über den unduld-
samen Fanat iker im Ta lar ! Sein
weißes Kreuz an der Brust trug er nicht
als Ordensschmuck, als bloße Zier — er
beugte sich unter dem Kreuze, und
trug es oft in der Brust und auf dem
Rücken! — Er erfaßte die schweren
Pflichten seines Ordens in ihrer ur»
sprünglichen ernsten Bedeutung! — Nn»
erschrocken — muthig — ehrenhast als
Soldat und Edelmann — nächstenlie-
bend, aufopfernd, christlich, als geistlicher
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon