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weder seine Studien fortsetzen oder in
der k. k. Akademie der bildenden Künste
sein Zeichnungstalent ausbilden. Nun
erhielt er wohl eine Stelle, aber nicht
mehr als 200 st., womit an eine Fort-
ietzung seiner Studien, da er ja nebenbei
für seinen Lebensunterhalt sorgen mußte,
nicht zu denken war. Um also seine Lage
zu verbessern, suchte er am Iosefstädter
Theater eine Unterkunft. Dort aber machte
ihm. als er Probe sang und zu diesem
Zwecke „O Isis, o Ofiris" aus der „Zau-
berflöte" vortrug, der damalige Chor«
director Schwarzböck ^Bd. XXXII,
S. 320. Nr. 16) erst recht den Stand-
punct klar, indem er ihm rundheraus
erklärte, daß er ja gar nicht singen könne
und mit den 200 Gulden, die ihm der
Graf angeboteti, mehr als hinreichend
bezahlt sei. Mit so herabgestimmten Hoff-
nungen unterschrieb also S. den Contract
als Chorist im Hofoperntheater am
4. September 4828, wobei er sich noch
die Clausel gefallen lassen mußte, bis zur
Eröffnung deS Theaters ohne Gage zu
dienen. ES sind das jene kleinen Nadel«
stiche im menschlichen Leben, welche uns
weit mehr verstimmen und herabdrücken
als die wuchtigen Schlage des Schicksals,
die uns nicht selten zu gewaltigem Wider-
stände emporreißen. S. ertrug aber
Alles, in der Hoffnung auf ein Besser»
werden, und es wurde besser, wenngleich
nur auf kurze Zeit, denn alsdann wurde
es ernstlich schlimmer. Zunächst wurden
ihm. da man seine schöne Stimme kennen
gelernt und stch auch von seinem Eifer in
der weiteren Ausbildung überzeugt hatte,
kleinere Auohilfspartien zugetheilt, die
ihm Honorare und zugleich den Vortheil
brachten, öffentlich gehört zu werden.
Dieses Letztere bekam auch alsbald that«
sächlichen Ausdruck, da ihm von Direc«
toren und Unterhändlern fremder Buh« nen öfters Antrage und mit Vortheil»
hafteren Bedingungen, als es jene in
Wien waren, gemacht wurden. Aber S.
konnte sich nicht entschließen, Wien zu
verlassen. Seine Anhänglichkeit an die
Residenz sollte ihm übel vergolten wer«
den, denn das Honorar für kleine Par»
tien. die er bisher gesungen, wurde all»
mälig auf die Hälfte herabgesetzt und
nach und nach ganz eingezogen. Unter
solchen Umständen mußte sicv S. wohl
oder übel nach einer anderen Stelle um»
sehen. Als ihm nun ein Antrag nach
SachseN'Coburg-Gotha gemacht wurde,
war er scbon daran, ihn anzunehmen,
wollte aber doch noch früher einen Ver«
such bei seiner Direction machen, welche
er, im Vertrauen auf seine mit jedem
Tage sich vervollkommnenden Leistungen,
um Erhöhung seiner Gage bat. Indessen
wurde für Sachsen-Coburg'Gotha ein
anderer Sanger gewonnen und die eigene
Direction gab S. auf sein Bittgesuch —
gar keine Antwort. Als dann am 1. Sep«
ternber 1830Duport die Administra»
tion der k. k. Hofoper übernahm, Stau-
d ig l aber vergebens auf neue Engage-
mentsanträge gewartet hatte, bat S. den
neuen Administrator, ihn wenigstens in
der Operette in Hauptpartien zu ver»
wenden. Als aberDuport entgegnete,
er kenne seine Fähigkeiten noch gar nicht
und müsse warten, bis sich eine Gelegen»
heit darböte, war auch diese Hoffnung
einer Verbesserung semer Lage zu Waffer
geworden. Doch aber richtete sich die
Aufmerksamkeit der Direction auf den
strebenden jungen Mann, der jedoch vor.
Allem einer gründlichen Schulung be«
durfte. So z. B. war Staudigl 's
Hauptfehler, daß «r wegen der nieder«
österreichischen Mundart, in welcher er
auferzogen worden, kein reines A zu spre»
chen im Stande war. R und 3 konnte
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Volume 37
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Stadion-Stegmayer
- Volume
- 37
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1878
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon